Hintergrund

Eine Geschichte von Unwissenheit und Irrtümern

Warum eigentlich zu Beginn des dritten Jahrtausends, „modern“ und „aufgeklärt“ wie es nun einmal ist, eine Ausstellung mit dem Titel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“? Die Antwort ist (leider) eindeutig: Weil diese Angst mit allen ihren Begleiterscheinungen immer noch vorhanden ist.

Keiner wird bestreiten wollen, dass fremdenfeindliche Attitüden zur bundesdeutschen Wirklichkeit gehören. Verbalinjurien und/oder physische Angriffe sind dabei die beliebtesten Ausdrucksformen, quer durch die verschiedenen Schichten der Gesellschaft. Ein häufiges Ziel solcher Angriffe bilden Menschen schwarzer Hautfarbe. Im populären Diskurs wird seit Jahrhunderten kein Kontinent in solch hartnäckiger Weise mit Stereotypen belegt wie der afrikanische. Die hauptsächlichen Kolporteure waren zunächst Forschungsreisende, Kaufleute, Missionare, Siedler, Kolonialbeamte und -soldaten, später gesellten sich Journalisten, Ethnographen und Entwicklungshelfer dazu. Selbst Aufklärer wie Hegel verwehrten es sich nicht, Afrika mit dem Etikett des „geschichtslosen Kontinents“ zu versehen.

Das (notdürftig) vereinigte Europa legt bei seiner Selbstdarstellung höchsten Wert auf die Feinzeichnung kultureller Unterscheidbarkeit seiner Mitgliedsstaaten, manchmal auch kleinster Regionen (wer käme schon auf die Idee, Sprache und Kultur eines maltesischen Fischers mit der eines finnischen Holzfällers unter der Rubrik „Europa“ zu verquirlen?). Afrika hingegen wird stets als einheitliches Ganzes betrachtet: Afrika, der mystische, der geheimnisvolle, der heiße, der ursprüngliche, der schwarze Kontinent.

Völlig vernachlässigt wird dabei die Tatsache, dass dieser Erdteil heute aus ungefähr 60 Ländern besteht, deren nördlichstes und südlichstes 8000 Kilometer voneinander getrennt sind. In den verschiedenen Ländern werden rund 2000 Sprachen gesprochen, die teilweise so wenig miteinander verwandt sind wie Deutsch und Chinesisch. Manchmal ändern sich Aspekte der materiellen und geistigen Kultur sogar von Siedlung zu Siedlung. Mit der Sahara verfügt Afrika zudem über die ausgedehnteste Wüste der Welt, nördlich und südlich des Äquators erstreckt sich der nach dem Amazonasbecken größte zusammenhängende Regenwald. Die schneebedeckten Gipfel des Kilimanjaro liegen wesentlich höher als die höchste Erhebung in den Alpen. Die Wassermenge des Viktoriasees übertrifft die des Bodensees um das 126fache. Im kulturellen, sprachlichen, topographischen und klimatischen Sinne gibt es somit kaum einen Kontinent, der heterogener, reichhaltiger, vielfältiger wäre.

Das zwanzigste Jahrhundert

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist Afrika tiefgreifenden Veränderungen unterworfen, die allesamt durch europäische und amerikanische Nationen angestoßen wurden bzw. werden: die koloniale Eroberung, die trotz der erfolgreich verlaufenen Unabhängigkeitskriege andauernde starke Einflußnahme auf Afrika durch Nichtafrikaner, und die derzeit vonstatten gehende Einbeziehung ins glückselige „global village“.

Allen diesen historischen Prozessen ist gemein, dass der Kontinent, seine Menschen und Rohstoffe stets als willfährige Verfügungsmasse für europäische Wirtschaftsinteressen herhalten mussten. Dabei wurde (und wird) von Europäern und Amerikanern sowie ihren afrikanischen Helfershelfern kräftig gelogen, Realitäten werden verzerrt. Stets wurden und werden humanitäre Gründe für die Inbesitznahme des Kontinents herangezogen: Die „schwachen“, „unreifen“, in jeder Hinsicht „unterentwickelten“ Afrikaner müssen vor sich selbst geschützt werden, sie müssen „entwickelt“ werden, und schließlich weiß der „große weiße Vater“ in irgendeinem europäischen Büroturm am besten, wie mit den immensen Reichtümern auf afrikanischem Boden zu verfahren ist.

Diese seit hunderten von Jahren auf Europäer und Amerikaner einhagelnde Propaganda hat entscheidend zum heutigen teilweise vollkommen verzerrten Afrikabild beigetragen. Für europäische Staaten und internationale Konzerne, die in Afrika nicht rechtsstaatliche Prinzipien anzuwenden gedenken, denen sie eigentlich verpflichtet sein sollten, ist dieses Bild segensreich: Sie werden von der Öffentlichkeit bei ihrem Treiben nur sehr selten gestört.

Althergebrachtes Afrikabild – ästhetische Werbeträger

Die in der Ausstellung gezeigten Objekte populärer Kultur vermitteln aber nicht etwa nur ein althergebrachte Afrikabild. Sie sind auch nicht nur das Ergebnis der Propaganda, der ihre Schöpfer ausgesetzt waren bzw. sind. Vielmehr dienen sie einem gezielten wirtschaftlichen Zweck. Wie beispielsweise die in der Ausstellung zu sehende Werbung verdeutlicht, läßt sich mit der Exotik gute Geschäfte machen. Ist es nicht gerade das geheimnisvolle Exotische, das auf uns eine besondere Faszination ausübt?

Menschen schwarzer Hautfarbe werden heute in zunehmendem Maße als positiv besetzte, ästhetische Werbeträger entdeckt. Zum einen führt dies zu einer gewissen Aufwertung dieses Personenkreises. Diese Aufwertung bleibt aber auf oberflächliche Merkmale beschränkt. Zum anderen bleibt ihnen weiterhin die Rolle des exotischen Außenseiters aufgezwungen. Ob es sich bei diesen Darstellungen um den berühmten Silberstreif am Horizont handelt oder um die oberflächliche „Ästhetisierung des Negers“ als Werbegag bleibe vorerst dahingestellt.

Entstehung des Ausstellungsprojekts

Im Wintersemester 1999/2000 veranstaltete Frau Prof. Dr. Bechhaus-Gerst, die jetzige Vorsitzende des Vereins KopfWelten e.V., am Institut für Afrikanistik an der Universität zu Köln ein Seminar mit dem Titel „Afrika in der populären Kultur“.

Das Seminar wurde nicht zuletzt deshalb ein großer Erfolg, weil die TeilnehmerInnen, die schon von Berufs wegen viele Erfahrungen mit Afrika vorzuweisen hatten, sich mit ihren eigenen Afrika-Bildern auseinandersetzen mussten. Der Blick wurde geschärft für die unterschiedlichen Repräsentationen Afrikas in der Alltagskultur, und während das Semester voranschritt, häuften sich immer mehr skurrile Objekte im Seminarraum an. Schließlich erschien es fast unvermeidlich, diese Fundstücke der Öffentlichkeit zu präsentieren – die Idee einer Ausstellung war geboren. Die Exponate stammen aus privatem Besitz oder wurden eigens für diese Ausstellung erworben bzw. ausgeliehen.