Köln Postkolonial

Die Themen:

Die (koloniale) Begegnung

„Soldaten im Unterrock“ – Amazonen in Köln

Sunna Gieseke

Schon Ende des 19. Jahrhunderts war bekannt, wie man im Showgeschäft ein großes Publikum anzieht. Bei der Zurschaustellung der „Dahomey-Amazonen“ in Köln setzte man schon 1890 auf Erotik, um möglichst viele Besucher anzulocken. Bei der Auswahl der zur Schau Gestellten galt die sexuelle Anziehungskraft der „exotischen Fremden“ als ein wichtiges Kriterium. Die Männer des Amazonen-Corps werden als Krieger mit kräftigem, schönem Körperbau beschrieben.1 Die vermeintlichen „Dahomey-Amazonen“ – tatsächlich handelte es sich um Afrikanerinnen aus Togo – traten in besonders exotischen Kostümen auf und riefen damit erotische Fantasien bei der Männerwelt hervor. Die „Soldaten im Unterrock“ – wie der Stadt-Anzeiger sie betitelte – waren zwischen 1890 bis 1908 in jeweils unterschiedlicher Besetzung viermal in Köln zu sehen. Besonders ihre Bekleidung und ihr Aussehen wurden immer wieder detailliert im Kölner Stadt-Anzeiger beschrieben:

Die Kriegerinnen sind schlaue, zumeist wohlgebildete kastanien­braune Gestalten, nur eine oder zwei haben eine lichtere, einige auch dunklere Farbe. Sie tragen eine Art Mieder, welches die Brust bedeckt und mit kleinen weißen Kauri-Muscheln verziert, Amulette, die am Halse und auf der Brust getragen werden, gehören mit zu dem Schmuck der schwarzbraunen Damen.2

Die Anführerin der Truppe hieß Gumma und wurde als „eine schön gewachsene junge Negerin mit angenehmen Zügen“ dargestellt. Eine weitere Völkerschau mit „Dahomey-Amazonen“, erneut mit Gumma als ihre Oberkriegerin, kam 1898 nach Köln in Castans Panoptikum an der Hohe Straße. Dieses Mal wurden mehr AfrikanerInnen ausgestellt als acht Jahre zuvor. Charakteristisch für die Völkerschauen waren – um die Schau für das Publikum interessanter zu gestalten – Programmpunkte wie Schwertkampf, Tanz und Musik. Aber auch Ringkämpfe wurden auf den Bühnen der Ausstellungsorte vorgetragen. Die „Dahomey-Amazonen“ führten vor geladenem Publikum einen Ring­kampf zwischen „den Naturkindern untereinander“3 vor und der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete:


Zeitgenössische Postkarte der „Amazonen von Dahomey“

Nicht nur die beiden Amazonen entwickelten eine erstaunliche Muskel­kraft, Gewandtheit und Gelenkigkeit, sondern auch die Männer zeig­ten sich als Ringkämpfer von fabelhafter Geschicklichkeit und ge­waltiger Sehnenkraft. Im Kreise von Kämpfenden sitzend, die allen Ernstes um für sie wertvolle Preise streiten, verfolgen die übrigen Mit­glieder der Truppe die einzelnen Momente des Kampfes mit sicht­baren Interesse und feuern durch Zurufe und Gesten die Kämpfenden “ ging aber weit über die Programmankündigung hinaus. Dies zeigt die große öffentliche Wahrnehmung der Schauen. Der Kölner Stadt-Anzeiger informierte über eine der Amazonen, die aufgrund einer Verletzung an der Hand vorsichtshalber in das städtische Hospital eingeliefert wurde. So weit es dem Artikel zu entnehmen ist, muss die junge Frau große Angst davor gehabt haben, in Köln zu sterben.

Eine der Amazonen, die in Castans Panopticum Vorstellungen geben, befindet sich seit einigen Tagen im städtischen Hospital. Die braune Kriegerin hatte sich eine kleine Verletzung an einer Hand zugezogen; vorsichtshalber übergab man sie dem Krankenhause. Die Pflege, die ihr zuteil wird, bekommt ihr gut, aber ihr Sehnen und Träumen geht nach Africa. „Nicht hier sterben“, sagte sie dieser Tage dem sie besuchenden Führer dieser Truppe, „nicht unter Weißen begraben.“ Dabei that sie entsetzlich ängstlich. Ob sie sich den Teufel wohl weiß vorstellt?4

Der Gedanke liegt nicht fern, dass die „Amazone“ sich eventuell deshalb an der Hand verletzt hatte, weil sie niemals ein Schwert in der Hand gehalten hatte, bevor sie nach Deutschland kam, und dies nur für die Völkerschau eintrainiert hatte.

Einer anderen Amazone hingegen blieb das Schicksal, in Köln zu sterben, nicht erspart. Im Jahre 1898, als eine weitere „Amazonen-Truppe“ in Köln gastierte, erkrankte eine der Teilnehmerinnen, genannt „Jambga“, an einer Lungenentzündung und verstarb mit nur 16 Jahren im Kölner Bürgerhospital in der Cäcilienstraße. Sie wurde auf dem Kölner Melatenfriedhof begraben. Das Begräbnis wurde ausführlich in den lokalen Medien beschrieben:

Gestern nach Allerseelen fand auf dem Friedhof zu Melaten ein seltenes Begräbnis statt. Eine Amazone der Truppe, die in Castans Panopticum ihre Vorstellung gibt, war vorige Woche plötzlich an Lungenentzündung erkrankt. Der behandelnde Arzt ordnete Unter­bringung in das hiesige Bürgerhospital an. Die Krankheit verschlimmerte sich und am Samstag raffte der Tod das sonst kräftige Mädchen dahin. [...] Auf Montag war die Beerdigung angesetzt.5

Es ist nicht bekannt, warum die Amazone so schwer erkrankte. Die junge Frau musste allerdings, wie die anderen Teilnehmerinnen auch, in den zwar erotischen, aber auch sehr dünnen Kostümen, im November auftreten.

Viele Kölner haben die Bestattung der Amazone besucht und dieses als ein zusätzliches und kostenloses Spektakel beobachtet. Die „Oberkriegerin“ Gumma sorgte für weiteren Aufruhr, als sie auf dem Melatenfriedhof mit zwei Verwandten der Verstorbenen „in vollem Kriegsschmuck in ihre Mäntel gehüllt“ erschien. Der Stadt-Anzeiger schilderte die Trauer der anderen Völker­schauteilnehmer, die großen Kummer über den Verlust ihrer Kollegin empfunden haben sollen. Sie hielten eine Trauerfeier ab, ohne die Anwesenheit von Weißen zu erlauben:

Die Totenfeier nach ihrem Ceremoniell fand alsdann auf ihrem sehr geräumigen Schlafsälen statt. Sämtliche Betten waren ausgeräumt; in dem einem Saale finden sich die Männer, in dem anderen die Weiber allein. Leider hat keiner von den Angestellten Zutritt erhalten, um diese eigenartige Feier, die von 8 bis 10 Uhr dauerte, schildern zu können. Vor der Thür hörte man nun Trommelschlag, Tänze und Exercitien, dabei ein ohrenzerreißendes Schreien und Heulen. Sämt­liche Fetische und ihre Götzen waren vorher in die Räume gebracht worden.

Mehrfach wurde in den lokalen Medien über die „Dahomey-Amazonen“ berichtet. Dabei gingen die Schilderungen weit über die üblichen Ankündigungen hinaus. Darstellungen über Gefühle, Gebrechen und sogar Tod der Teilnehmer machen die große öffentliche Wahrnehmung der Völkerschauen deutlich.

1. Stadt-Anzeiger zu Nr. 239 der Kölnischen Zeitung, Freitag, 29. August 1890.
2. Stadt-Anzeiger zu Nr. 239 der Kölnischen Zeitung, Freitag, 29. August 1890.
3. Stadt-Anzeiger zu Nr. 511 der Kölnischen Zeitung, Dienstag, 8. November 1898.
4. Stadt-Anzeiger zu Nr. 258 der Kölnischen Zeitung, Mittwoch, 17. September 1890.
5. Stadt-Anzeiger zu Nr. 503 der Kölnischen Zeitung, Donnerstag, 3. November 1898.

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Letzte Aktualisierung am: 28.03.2008