Köln Postkolonial

Die Themen:

Die (koloniale) Begegnung

„An besonderen Tagen: Rösten ganzer Schweine…“*

Beatrix Alexander


(Carl Marquardt - ) Gebrüder Marquardts völkerkundliche Schaustellung Die Samoaner, Umschlag, Farblithographie, Papier, 20 x 14 cm, HAStK, Best. 950/358, ungez. Bl.

Diese Annonce bezieht sich nicht auf die Eröffnung einer Fleischerei, sondern verweist auf eine Sonderausstellung besonderer Art, die im Juli 1910 im Zoologischen Garten zu Köln stattfand. Zu diesem Anlass gaben Aufsichtsrat und Vorstand dem verehrten Publikum folgendes bekannt:

„Im Zoologischen Garten wird sich von Dienstag, den 5. bis einschließlich Dienstag den 26. Juli eine Gesellschaft Samoaner den Besuchern zeigen. Sie stammen von der Südseeinsel Samoa, deren 10-jährige Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche in diesem Jahre dort festlich begangen wurde.“

Ausgestellt wurde eine Gruppe von 26 Samoanern; unter ihnen der Häuptling Tamasese Le Alofi II. und Mitglieder seiner Familie, wie anderer Adelsfamilien der Inseln.

Die Aufgabe der „Exponate“ bestand darin, mehrfach täglich Tänze und Waffenspiele vorzuführen, wie auch zweimal wöchentlich ein ganzes Schwein in einer mit Blättern und heißen Steinen gefüllten Bratgrube zuzubereiten und das Publikum mit Kostproben zu erfreuen. Obendrein war als zusätzliche Attraktion eine Rutsche installiert worden, auf der die leicht mit Bastrock und Blumenkette bekleideten Samoaner in ein Wasserbecken glitten und herum schwammen oder in Kanus ruderten. (Dankenswerterweise für die Beteiligten spielte sich das Ganze im Sommer ab.)

Das Ausstellungskonzept stammte von Carl Marquardt und seinem Bruder Fritz, der als ehemaliger Polizeipräsident von Apia auf Samoa beste Beziehungen zur deutschen Kolonie besaß. Ausstellungen exotischer Menschen waren seit ihrer Einführung auf den Weltausstellungen schon länger bekannt und popularisierten im Zeitalter des europäischen Kolonialismus das Bild des „gezähmten Wilden“ oder auch der neuen „Landsleute“.


Ansichtskarte mit Originalbeschriftung: Gebrüder Marquardt’s völkerschaftliche
Schaustellung „Die Samoaner“. In Originalkanus auf dem Wasser.
(Sammlung Bechhaus-Gerst)

Die wurden gern als lebende Bilder inszeniert und mussten in zum Teil selbstgebauten Hütten Kunsthandwerk oder landestypische Speisen herstellen und folkloristische Gesangs- und Tanzeinlagen vorführen. Diese frühe Form des Infotainments hatte den Vorteil, dass man die Fremden zum Anfassen nah, ohne Gefahr von Leib und Leben oder lange Expeditionen vor Augen bekam. Naheliegend, dass diese Veranstaltungen dort stattfanden, wo auch die anderen „Exoten“ weilten – im Zoo.


Ansichtskarte mit Originalbeschriftung:: Gebrüder Marquardt’s völkerschaftliche
Schaustellung „Die Samoaner“. Mädchengruppe.
(Sammlung Bechhaus-Gerst)

Zu Beginn der Ausstellung hob der Stadtanzeiger (6. Juli 1910) die Vorzüge von Ausstellung und Ausstellern hervor:

„Männer wie Frauen der Samoaner sind wohlgebaut, die Frauen zum Teil auch nach europäischen Begriffen schön im Gesichtsausdruck, vor allem aber zeichnet sie ein vollendetes Ebenmaß der Glieder, volle, wohlentwickelte Büsten, sehnige, nicht übermäßig starke, aber dabei doch von voller Kraft zeugende Muskelbildung aus.“

Darüber hinaus lobte der anonyme Verfasser des Artikels den ethnologischen Wert der Veranstaltung:

„Neben dem großen künstlerischen Genuß, den die Vorführungen der Samoaner bieten, steht ja auch der erzieherische Wert, der darin enthalten ist, daß dem breiten Publikum hier ein Einblick vergönnt ist in Art und Sitten einer Menschenrasse, die nach ihren Begriffen von Sittlichkeit und Moral in vielen Punkten der europäischen gleich zu stellen ist.“

Auch wurden die Gäste mit großer Ehrerbietung behandelt und von Zoodirektor Dr. Ludwig Wunderlich und seinem Verwaltungsrat zu einem ‚kleinen Imbiss’ geladen, wo festzustellen war, „daß diese Majestät trotz ihres kurzen Aufenthalts in Europa… vollkommen die europäischen Sitten beherrschte“. Der so gewürdigte Exil-König Tamasese nutzte sein Varieté-Engagement auch für diplomatische Zwecke: Kaiser Wilhelm II. gewährte ihm in Berlin eine Privataudienz. (Wenn Völkerverständigung nur immer so einfach wäre…)

* (Carl Marquardt -) Gebrüder Marquardts völkerkundliche Schaustellung Die Samoaner, München: Vereinigte Druckerein & Kunstanstalten; G. Schuh & Cie., o. J. 12 S. Nebst eingekl. Programmzettel; Quelle: HAStK, Best. 950/358, ungez. Bl.

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Letzte Aktualisierung am: 03.08.2009