In der Zeit von 1879 bis 1932 fanden in Köln knapp dreißig afrikanische Völkerschauen statt. Die Darstellungen waren dabei sehr vielfältig. Bei einigen Völkerschauen stand bei der Inszenierung vorgeblich der erzieherische Aspekt im Vordergrund, bei anderen ganz offenbar die Erotik, wie zum Beispiel bei den „Cameroon-Zulus“, die 1885 in Castans Panoptikum in der Frongasse „zurschaugestellt“ wurden. Die männliche Bevölkerung lag der schönen Prinzessin Amazula zu Füßen und überhäufte sie mit Geschenken.
Die Zulutruppe in Castans Panopticum an der Frongasse übt fortgesetzt ihre Anziehungskraft auf das hiesige und unsere Stadt besuchende Publicum aus. Manche Herren sind sogar Stammgäste bei derselben geworden, obs der kleine schwarze Prinz ihnen angethan hat oder die große dunkle Prinzessin, wer mags wissen.1
Auch in Zusammenhang mit den Somalis, die im Juni 1890 zwei Wochen lang auf einem Kölner Sportplatz auftraten, wird die Schönheit der Menschen im Stadt-Anzeiger hervorgehoben. „Während der Vorstellung hämmerte ein Mitglied der Truppe, ein schön gebauter Mann mit edlen Gesichtszügen, in einer höchst primitiven Schmiede eine Lanzenspitze.“2
Des Weiteren gab es auch in Köln Darbietungen, die an die so genannten Freak-Shows der Jahrmärkte erinnerten. Hier sollte vor allem die Zurschaustellung angeblicher körperlicher Abnormitäten die Aufmerksamkeit erregen. 1931 wurden im Rahmen einer der letzen Völkerschauen Angehörige der Sara-Kaba – in der zeitgenössischen Literatur „Lippenplattennegerinnen“3 genannt – im Zoologischen Garten in Köln „zurschaugestellt“. „Die Mode, sich die Lippen durch Holzklötze so zu erweitern, daß sie durch Einschieben großer Holzscheiben ‚verziert‘ werden können, ist dem Stamme nämlich jetzt durch die Kolonialregierung verboten worden“4, schreibt der damalige Direktor des Zoologischen Gartens Hauchecorne in der Zeitschrift Das Elegante Köln. Durch das Verbot konnte die genannte Schau als besonders selten und sehenswert dargestellt werden.
Für Völkerschauen gab es in Köln verschiedene Ausstellungsorte: Ungefähr die Hälfte fand in Castans Panoptikum statt, einem Wachsfigurenkabinett, dessen Hauptgeschäftstelle in Berlin war. In Köln gab es Filialen an der Hohe Straße und in Riehl. Viele Völkerschauen wurden an der so genannten „Goldenen Ecke“ Kölns inszeniert. Hierbei handelte es sich um ein Vergnügungsviertel, welches in Riehl am Rhein lag und in dem es verschiedene Veranstaltungsorte gab, die dem Zeitvertreib der Kölner dienten. Unter anderem sind dort heute noch der Kölner Zoo und die Flora zu finden. Der Zoologische Garten hat allerdings bei der Ausstellung afrikanischer Völkerschauen in Köln kaum eine Rolle gespielt hat.
Den Zeitungsberichten dieser Zeit zufolge hatten die Kölner großes Interesse an „exotischen“ Vergnügungen in ihrer Stadt. Dies traf nicht nur für die erwachsenen Kölner zu. Der Stadt-Anzeiger berichtet, dass „fast täglich Schulen in Begleitung der Lehrerperson“ die Völkerschau der Cameroon-Zulus im Panoptikum besuchten. Gerade bei Schulklassen wird der vermeintliche erzieherische Wert eines Besuchs der Völkerschau von Bedeutung gewesen sein. Das Interesse der Jugend, speziell die Kölner Jungen, ist im Zusammenhang mit dieser Völkerschau in der Öffentlichkeit nicht positiv aufgefallen. Am 19. Juli 1885 wurde in der Kölnischen Volkszeitung folgende „launige Zuschrift [eines Lesers], die übrigens einen ernsten Gegenstand betrifft“ abgedruckt:
Lieber Herr Localberichterstatter! Sie haben über Ankunft und Abreise der Singhalesen, sowie über die Productionen der Zulu-Truppe im Panopticum getreulich berichtet. Daß letztere von Seiten unserer lieben Jugend eine gefährliche Concurrenz zu erwachsen droht, scheint Ihrer Beobachtung bisher entgangen zu sein. Und doch sieht man in den Promenaden des nördlichen Stadttheils seit einiger Zeit ganze Truppen Schulkinder und halberwachsene Rangen mit gelben und schwarzen Gesichtern, Federn auf dem Kopf und Ringe in Nase und Ohren tragend, lagern, und sobald sich ein Kreis von Zuschauern um sie gebildet hat, ihre Kunststücke machen und einen der ‚Häuptlinge‘ das Geld einsammeln. Das letztere scheint dabei die Hauptsache zu sein. Die Folgen sind nur, daß die Buben ihre Schulaufgaben nicht machen, und der Lehrer die neue Entschuldigung hören muß: ‚Wir haben in der Promenade Singhalesen gespielt.‘5
Eine weitere Geschichte, die der Stadt-Anzeiger am 30. Juli 1885 aufgriff, zeugt von der Faszination, welche die AfrikanerInnen auf die Kölner Kinder und Jugendlichen ausgeübt haben müssen.
Da haben Sie’s, äußerte dieser Tage ein Herr, auch Jung-Köln ist schon von der Strömung für Colonial-Politik ergriffen: Zulu- und Singhalesenbanden treiben in den Straßen allen erdenklichen Unfug, darunter einen sehr gefährlicher Art. Die mit Kohle und Kienruß geschwärzten Burschen haben das Assagan der Zulus nachahmend, Spitzen von eisernen Gitterstäben auf lange Stäbe befestigt und veranstalteten damit Wurfübungen nach einem Bauzaun, unbekümmert um die Vorübergehenden. Diese müssen, wollen sie nicht getroffen werden, hinter dem Rücken der schwarzen Brüderchen sich vorüberdrängen. [...]6
Viele Beschreibungen sowohl des Äußeren als auch des Charakters und Wesens der Völkerschau-TeilnehmerInnen zeigen sich kontinuierlich in zeitgenössischen Texten. Dies ist hinsichtlich der großen Zeitspanne sehr bemerkenswert, denn immerhin begannen die Völkerschauen in Köln, als Bismarck noch Reichskanzler war und endeten in der späten Phase der Weimarer Republik. Die erste vorliegende ausführlichere Quelle vom 6. Juni 1880 aus den Lokalnachrichten des Stadt-Anzeigers benutzt Beschreibungen wie „[d]ie schwarzen, anscheinend halbwilden Menschenkinder“ und „[sie] machen auf den Beschauer einen zwar eigenartigen, aber nicht unfreundlichen Eindruck“.7
Den „Cameroon-Zulus“ wurde sogar laut Stadt-Anzeiger die Schönheit wissenschaftlich anerkannt, als der Bonner Anthropologe Prof. Schaaffhausen, aufgrund seines großen Interesses an den AfrikanerInnen, diese vermessen wollte. Sein Wunsch, dies zu tun begründet der Wissenschaftler, so schreibt der Stadt-Anzeiger, mit den Worten, er habe „noch niemals Wilde, mit so schönen und kräftigen Körperformen gesehen“.
Die Inszenierung der Völkerschauen war sehr unterschiedlich. Zu Beginn reichte es meistens, die AfrikannerInnen ohne weiteren Aufwand „zurschauzustellen“. Später gab es ein richtiges Programm mit Musik, Tanz und der Darbietung von kriegerischen Szenen. Durch die Inszenierung des vermeintlichen Alltagslebens der AfrikannerInnen wurde der erzieherische Aspekt besonders hervorgehoben. Außer der Darstellung von Handwerkern und deren Tätigkeiten nahm zudem um die Jahrhundertwende mit dem Aufkommen der „Völkerschau-Dörfer“ die Vorführung von Schulen, bzw. von Schulunterricht zu.
In der Kölnischen Wochenplauderei der Volkszeitung beschreibt ein Artikel im Jahre 1885 „Durst und Schaulust“ als „zwei Eigenschaften der Kölner, die ihnen auch der Neid lassen muß, und welche sogar über die sprüchwörtliche [sic!] Gemüthlichkeit gehen soll“8. Für die Völkerschauen und ihre Teilnehmer haben sich die Kölner, den Berichten der Zeitungen zufolge, in jedem Fall interessiert. Die fremden Darstellerinnen und Darsteller erhielten allerdings nur selten eine Stimme in den öffentlichen Medien. In einem Interview vom 11. Oktober 1896 befragt der Redakteur den Togo-„Häuptling“ Bruce, der 1896 auf der Kolonialausstellung in Berlin auftrat:
Noch eins. Ist es Ihnen nicht schrecklich, die oft so einfältigen Bemerkungen der Menschen zu hören, die uns umdrängen? Viele glauben geradezu, ein Schwarzer sei gar kein Mensch. Aegert Sie das nicht?
O nein, ich lasse sie reden. Ist doch Jesus Christus von unverständigen Menschen verspottet worden, und er war unser Heiland, wie sollte ich, ein sündiger Mensch, mich über solche Kleinigkeiten erzürnen. Auf baldiges Wiedersehen!
1 Stadt-Anzeiger zu Nr. 197 der Kölnischen Zeitung, Samstag, 18. Juli 1885.
2 Stadt-Anzeiger zu Nr. 165 der Kölnischen Zeitung, Montag, 16. Juni 1890.
3 Vgl. hierzu Abb. 5 und Abb. 6.
4 Hauchcorne, Friedrich. 1931. „Exotische Modenschau im Kölner Zoo“, in: Das Elegante K¨ln, vierter Jahrgang.
5 Kölnische Volkszeitung Nr. 196, Sonntag, 19. Juli 1885.
6 Stadt-Anzeiger zu Nr. 209 der Kölnischen Zeitung, Donnerstag, 30. Juli 1885.
7 Stadt-Anzeiger zu Nr. 156 der Kölnischen Zeitung, Sonntag, 6. Juni 1880.
8 Kölnische Volkszeitung, Nr. 168, Samstag, 20. Juni 1885.
Letzte Aktualisierung am: 27.03.2008