Köln Postkolonial

Die Themen:

Die (koloniale) Begegnung

Afrikanische Kriegsgefangene und Besatzungssoldaten in Wahn

Marianne Bechhaus-Gerst

1914 brach der Erste Weltkrieg aus, und bereits nach den ersten Kämpfen an der Westfront wurden Kriegsgefangene in den Kölner Raum – genauer in die Wahner Heide – gebracht. Am 20. Oktober 1914 sind schon mehr als 4.000 Gefangene verzeichnet, knapp anderthalb Jahre später sind es 50.000; darunter befanden sich französische Kolonialsoldaten, so genannte Tirailleurs, aus Nordafrika, aber auch aus dem Senegal. Zunächst wurden die Gefangenen in Baracken des alten Militärlagers sowie in Zelten untergebracht. 1915/16 wurde das Kriegsgefangenenlager neu errichtet. Die 76 Baracken bestanden aus Holzfachwerk mit Bretterverkleidung und Pappdach. Die Unterkünfte im neu erbauten Lager waren nach Nationen und auch nach „Rassen“ getrennt. Die „exotischen“ Gefangenen zogen natürlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich; Fotos entstanden, die als Postkarten verkauft und verschickt wurden. Man konnte sich dieser Faszination durchaus hingeben, solange man auf der vermeintlichen Siegerseite stand. 1917 wurde das Kriegsgefangenenlager von der Wahner Heide nach Limburg an der Lahn verlegt.

1920 kamen erneut Franzosen mitsamt afrikanischen Kolonialsoldaten nach Wahn. Und diesmal traten diese als Sieger auf, die Kölner waren auf der Verliererseite. Wie überall im Rheinland reagierte man mit Entsetzen und Abscheu. Sehr anschaulich wurde der zeitgenössische Diskurs in seiner Kölner Ausprägung vorgestellt vom Major a.D. Plewig, Vorstand der Schiessplatzverwaltung in Wahn:

Ein besonderes Kapitel bildeten die farbigen, besonders schwarzen Truppen der Franzosen, [...]. Seitens des Volkes mit angeblich höchster Kultur, wie die Franzosen von sich immer behaupten, und Kulturkämpfer gegen die deutschen Barbaren, welche die Weltkultur bedrohten, war es eine beabsichtigte und bewusste Erniedrigung des deutschen Volkes, derartige Kulturträger wie Senegalneger und Zulukaffern, abgesehen von Marokkanern, die auch nicht besser waren, zu Bändigungszwecken in das besetzte Gebiet zu legen. Diese Art Menschen standen auf einem derart niedrigen sittlichen Standpunkt, der kaum zu schildern ist.

Er beschreibt die afrikanischen Wachposten als unberechenbar und gefährlich. Nicht nur – so behauptete er – legten sie ihr Gewehr auf jeden Vorbeigehenden an, sondern

[...] stiessen hierbei Hundegebell ähnliche Laute aus, die keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeiner Sprache besassen und die niemand verstehen noch auslegen konnte. [...] Eine Verständigung mit diesen Leuten war unmöglich, da sie ausser ihrer Gurgellaute keine Sprache beherrschten bzw. verstanden.

Ausführlich berichtet Plewig über das als besonders „schändlich“ empfundene und in der gesamten Öffentlichkeit diskutierte Verhalten der afrikanischen Soldaten gegenüber deutschen Frauen. Vergewaltigungen seien mehrfach vorgekommen, berichtet er; diese seien aber aus Schamgefühl meist nicht angezeigt worden. Schließlich richteten die Franzosen ein Bordell mit afrikanischen Frauen auf dem Gelände ein. Dass das Verhältnis zwischen afrikanischen Soldaten und deutschen Frauen in der Realität keineswegs durch Gewalt bestimmt war, wird an anderer Stelle deutlich:

Ebenso oder noch beschämender (als die Einrichtung des Bordells) war aber der Umstand, dass an Sonntagen scharenweise Mädchen, zum Teil in Begleitung der Eltern, mit der Eisenbahn aus Grevenbroich und Umgebung, wo die Schwarzen wohl vorher in Quartier gelegen haben, auf dem Schiessplatz zu Besuch ihrer schwarzen Verehrer erschienen. Man konnte sogar Schwarze mit den Mädchen am Arm den Mauspfad entlang spazieren sehen. Im Allgemeinen ein ganz herrlicher, völkerversöhnender Anblick, nur nicht für jeden.

In einer späteren Auflistung von Vorfällen mit Besatzungssoldaten als Verursachern wird von Plewig nur eine einzige Vergewaltigung durch einen afrikanischen Soldaten aufgeführt. Man kann annehmen, dass er sich mit seinen eingangs zitierten Behauptungen mehrfacher sexueller Übergriffe dem allgemeinen Wehklagen seiner Zeitgenossen anpasste. Die Wirklichkeit aber, wie sie aus dem letzten Abschnitt vielleicht ungewollt hervortritt, sah völlig anders aus. Bekannt ist, dass eine ganze Reihe Beziehungen zwischen deutschen Frauen und afrikanischen Soldaten entstanden und dass aus diesen Beziehungen Kinder hervorgingen. Im April 1933 wies Hermann Göring die Regierungspräsidenten im Rheinland an, Statistiken über Anzahl und Alter der von farbigen Besatzungstruppen mit deutschen Frauen gezeugten Kinder zu erstellen. Auch im Regierungsbezirk Köln wurden so genannte „Rheinlandbastarde“ ausgemacht. Die dadurch eingeleitete Entwicklung endete 1937 mit der Sterilisation der erfassten Kinder. Auch in Köln, unter anderem im evangelischen Krankenhaus in Köln-Weyertal, wurden diese Kinder zwangssterilisiert.

Quellen

Literatur

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Letzte Aktualisierung am: 27.03.2008