Köln Postkolonial

Die Themen:

Institutionen

Wilde Tiere am Rhein –
Exotische Vergnügungen im Zoologischen Garten zu Köln

Kathrin Treins


Das Nashorn im Zoologischen Garten zu Köln1

Die ersten zoologischen Gärten Mitteleuropas entstanden – als feste Einrichtungen neben Museen und Sammlungen – in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Inspiriert durch die Eröffnung von zoologischen Gärten in London, Amsterdam und Paris, und offenbar einhergehend mit einer Welle der Berichterstattung über „exotische“ Tiere, gab es ebenfalls eine Vielzahl an Zoogründungen in Deutschland. Im Jahr 1860 öffnete der Zoologische Garten zu Köln seine Pforten. Er versprach, naturwissenschaftliche Bildung, stadtnahe Erholung im „Grünen“ und „exotische“ Vergnügungen für Einheimische und Fremde zugänglich zu machen.

„Morgen wird zum ersten Male unser zoologischer Garten dem großen Publicum geöffnet sein. Unter allen hiesigen Unternehmungen neuerer Zeit ist wohl kaum Eine mit so ungetheiltem Beifall aufgenommen worden, wie die vorbezeichnete, und dieser Sympathie wird die allgemeine Theilnahme des Publicums ganz gewiß dauernd entsprechen. (...) Von den bereits vorhandenen Thieren werden die possirlichen Affen, schönen Flamingo’s, die merkwürdigen Kanguruh’s, die verschiedenen Straußarten, eine Anzahl Bären und sonstige Raubthiere, insbesondere der prächtige Königstiger, den Besuchern des Gartens schon jetzt zur angenehmen Unterhaltung gereichen. (...).“ 2

Dr. Caspar Garthe

Erste Anregungen zur Gründung eines Zoologischen Gartens in Köln gehen auf einen Gastwirt namens Ernst Müller aus Lindenthal zurück. Er betrieb dort in den 1850er-Jahren einen Biergarten, in dem er auch Tiere ausstellte. Müller regte an, einen zoologischen Garten in Köln einzurichten, um den Kölner Bürgern einen Ort der Entspannung, des Vergnügens und der Belehrung zu bieten.3 Gegründet wurde der Tierpark schließlich auf Betreiben des Oberlehrers Dr. Caspar Garthe. 1858 entstand die „Actiengesellschaft Zoologischer Garten zu Cöln“, die den Zoo im Norden der Stadt auf einem nahe dem Rhein gelegenen Gelände in Riehl errichtete. Der „Prospectus über einen zu errichtenden Zoologischen Garten in Köln, mit besonderer Rücksicht auf die Acclimatisation fremder Thiere, und Gründung eines Central-Versammlungsortes geselligen Zusammenseins, sowie einen auf Thatsachen beruhenden Nachweis über die Rentabilität des Unternehmens“4 aus dem Jahr 1858 dokumentiert die Bemühungen des Oberlehrers Garthe und des Gründungsgremiums. Ihrer Meinung nach würden im zoologischen Garten „belehrende Unterhaltung mit den Freuden eines heiteren fröhlichen Beisammenseins Hand in Hand gehen“, außerdem würde „ein Gefühl erhebender Genugtuung Ihre Brust durchströmen, wenn Sie eintreten in den Garten, […] ein kleines Paradies“.5 Des Weiteren nennt der „Prospectus“ die Ziele der Zoogründer. Im Sinne einer zugleich populären und wissenschaftlichen Tierausstellung wollte das Kölner Gründungskomitee:

Die Verbreitung naturwissenschaftlicher und zoologischer Kenntnisse hatten die Begründer als eines ihrer Ziele formuliert. Der erste Kölner Zoo-Direktor Heinrich Bodenius kam dieser Forderung nach. Er kümmerte sich, neben den administrativen Tätigkeiten, um die öffentlichkeitswirksame Berichterstattung in den lokalen Medien und um die populärwissenschaftliche Lehre, z.B. durch den Besuch von Schulklassen oder die Herausgabe des Zooführers6. Ganz im Sinne Caspar Garthes sollten die Besucher den zoologischen Garten „mit forschendem Blick“7 betreten und Tierbeobachtungen nachgehen, auch ohne naturwissenschaftliche Vorbildung. Im Gegensatz dazu stand die zoologische Wissenschaft im Sinne einer universitären Forschung in Köln nicht im Vordergrund; überhaupt entstand kein einziger deutscher Zoo in direkter Anbindung an eine Universität.8

Im Kölner Zoologischen Garten wollte man die Tiere möglichst naturnah halten und eindrucksvoll ausstellen. Dafür wurden zunächst aufwendige Gehege gebaut, die eigentlich Bauten für Menschen darstellten, wie beispielsweise der ägyptischen Tempel, in dem Kamele und Lamas untergebracht waren. Des Weiteren gab es das Stelzvogelhaus im orientalischen Stil: eine Voliere mit hoher Kuppel und zwei schlanken Minaretten. Beide Gebäude sind heute nicht mehr im Kölner Zoo vorhanden.9 Diese exotische Architektur wurde in den späten 1850er Jahren populär und löste allmählich den bislang die Zooarchitektur dominierenden und weniger aufwendigen rustikalen Stil ab. Die maurische Architektur galt damals als „malerisch, exotisch, anziehend“10, war modern und durfte deshalb im Kölner Zoo nicht fehlen:

„Seitdem der König von Württemberg sich einen maurischen Märchenpalast zu Stuttgart hatte bauen lassen, seitdem in Ägypten der grandiose Plan des Suez-Kanals ins Werk gesetzt worden war, galt alles maurische als hochmodern. Sogar in Köln, der Hochburg der Neugotik, gab es maurische Architektur. Maurisch war die große Synagoge, die seit dem Frühjahr 1859 in der Glockengasse gebaut wurde (...).“ 11


Das ehemalige Elefantenhaus, errichtet als Haus für Giraffen und Antilopen 1863 im Maurischen Stil. Es steht unter Denkmalschutz. (Bild: Kathrin Treins, 2007)

Auch in der Hauptstadt Berlin begann man Anfang der 1870er-Jahre die Tierhäuser durch exotische Stilbauten zu ersetzen, um die Architektur dem Herkunftsland der Tiere anzupassen. Die Elefanten lebten dort in einer Pagode, die Strauße bewohnten einen ägyptisierenden Tempel.12 In Dresden gab es ebenfalls ein Gebäude im maurischen Stil für Antilopen, Kamele und Zebras.13 Auf diese Weise präsentierten die Zoologischen Gärten „exotische“ Landschaften, die auf kleinem Raum versuchten, das zu versammeln, was die Welt an fremdländischer Fauna und Architektur bot. Diese Architektur diente vorrangig der Unterhaltung des Publikums, was für eine kommerzielle Ausrichtung der Gärten spricht – sie hatte keine Bedeutung hinsichtlich einer artgerechten Haltung der Tiere. Das Arrangement aus „exotischen“ Tieren und fremdländischer Architektur sollte nur den Erwartungen der Besucher entgegenkommen. Es handelte sich um eine Konstruktion, die keinesfalls die Realität präsentierte. Die außer-europäische Architektur wurde nach den gängigen Stereotypen präsentiert und entsprach dem jeweiligen Trend. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es jeweils ein von der maurischen Architektur inspiriertes Gebäude im Berliner, Dresdener und Kölner zoologischen Garten gab. Diese „Exotik“, also die Anziehungskraft, die von fremden Kulturen ausging, nutzten die Gärten für kommerzielle Zwecke. Seit der Reichsgründung 1870/71 wuchs das Interesse an den Ländern in Übersee – vor allem vor dem Hintergrund der expansiven und koloniale Ansprüche erhebenden Außenpolitik des Deutschen Reiches.

Ab 1900 errichtete man dann vor allem die Anlagen nach Hagenbeckschem Vorbild.14 Das von ihm konzipierte Freisicht- und Panoramagehege war die Präsentationsform für zoologische Einrichtungen. Kernstücke der Hagenbeckschen Innovation waren die kunstvoll kaschierten Barrieren und die naturnah gestalteten Anlagen. Die nach diesem Vorbild gebauten Freiluft-Anlagen boten dem Betrachter ein Gesamtbild der ausgestellten Tiere in ihrer vermeintlich natürlichen Umgebung; sie ermöglichten ein unverstelltes Erlebnis von Wildheit und „Exotik“, bei einem Höchstmaß an Sicherheit für das Publikum.

Noch heute findet man Spuren dieser architektonischen Entwicklungen im Kölner Zoo:

Von Anfang an war es das Ziel der Kölner Zoogründer, einen möglichst vielseitigen, „exotischen“ und kostbaren Tierbestand zu besitzen und so den Gärten in Amsterdam und Antwerpen in Nichts nachzustehen.16 Der Tierbestand der ersten zoologischen Gärten rekrutierte sich aus Mitbringseln, also Tieren, die eher zufällig nach Deutschland gelangt waren. Die Entwicklung von professionellem Tierfang und -handel war eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der neu gegründeten Gärten. Die ersten „exotischen“ Tiere kamen aufgrund von Beziehungen der Initiatoren nach Köln oder waren Geschenke; beispielsweise verdankte der Garten zwei afrikanische Löwen dem Grafen von Fürstenberg-Stammheim.17 Der Bestand und die Haltung möglichst vieler exotischer Tiere war von der Höhe der Investitionen, dem Umfang von Tiergeschenken sowie den Zielen der Zoogründer abhängig. Der Ausgangspunkt für die Tierhaltung und -ausstellung war die „Entnahme“ aus der Wildnis. „Entnehmen“ und „Sammeln“ für museale Zwecke waren zunächst Aufgaben der Zoologie. Mit Beginn der Kolonialzeit waren es in zunehmendem Maße Sportjäger, „Entdeckungsreisende“, „Abenteurer“ und anderen Nicht-Biologen, die die Tiere fingen und nach Europa brachten. Der Tierfang und die Jagd waren überaus populär, und auch das Mitbringen von Schädeln, Fellen und anderen Jagdtrophäen, ja sogar von „Völkerkundlichem“ waren selbstverständlich.18 Der Zoologische Garten zu Köln stand in engem Geschäftskontakt mit den weltweit tätigen Tierhändlern19, die ihre Tierfänger in die entlegensten Gegenden der Erde schickten, um immer wieder neue, noch ungesehene Arten zu beschaffen.

Die Akklimatisierung tropischer Pflanzen und Tiere, die allmähliche Eingewöhnung „exotischer“ Produkte überhaupt war ein sehr intensiv und kontrovers erörtertes Thema. Auch in der Domstadt war die Akklimatisierung ein Ziel der Zoogründer. Dahinter stand der Versuch, außer-europäische Tiere an die mitteleuropäischen Lebensbedingungen zu gewöhnen und eine Züchtung zu ermöglichen. Die aus Frankreich kommende Bewegung stand in kolonialem Zusammenhang und führte 1860 in Paris zur Eröffnung des Jardin d'acclimation.20 Im Zuge der kolonialen Expansion ging es bei der Akklimatisierung auch um die Einführung neuer Haustierarten und die Züchtung neuer robuster Rassen für die Kolonien in Übersee. Laut Rieke-Müller ließ sich diese in den deutschen Zoos nicht wirklich realisieren und wurde nicht weiter verfolgt.21 Wahrscheinlich wurde das Argument in den Kölner „Prospectus“ aufgenommen, um einen vermeintlich praktischen Nutzen für den Zoologischen Garten vorzuweisen.


Dauereintrittskarte aus dem Jahr 1888. Quelle: Zooarchiv. (Bild: Kathrin Treins)

Der Zoologische Garten in Köln war eine anspruchsvoll gestaltete Anlage, die zum Verweilen einlud, um sich „nach gethaner Arbeit“ auszuruhen und sich „an Herz und Seele“ zu erfrischen.22 Der Zoo mit seinen exotischen Bauten wurde von den KölnerInnen als gesellschaftlicher Treffpunkt angenommen und für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt, ganz so, wie es sich das Gründungskomitee gewünscht hatte. Das Unterhaltungsangebot im Kölner Zoo war von Anfang an vielseitig: es gab Gastronomie, musikalischen Vorführungen, Springbrunnen und diverse gesellschaftliche Feste. Durch ihre zunehmende dramaturgisch-exotische Ausrichtung konnten sich die zoologischen Gärten auch als Standort für die „Völkerschauen“ etablieren.23 Im Kölner Zoo fanden im Zeitraum zwischen 1878 und 1932 sieben „ethnographische Schaustellungen“ statt.24

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ziele der Zoogründer weitgehend realisiert wurden. Die Motive der Zoogründung reichten von Forschung, Bildung und Unterhaltung bis hin zum Lokalpatriotismus. Die Kölner Initiatoren hatten ein „kleines Paradies“ nach ihren Vorstellungen geschaffen. Die Präsentation der Tiere, entweder umgeben von „exotischer“ Architektur oder als Exponate in den Freisichtanlagen, war eine Inszenierung und diente vor allem der Unterhaltung des Publikums. Daneben war der Zoo ein Treffpunkt der Bourgeoisie, der mit einem Restaurant, Springbrunnen und musikalischen Rahmenprogrammen zunächst eine kommerzielle Ausrichtung verfolgte. Nur der Ausbau des Tierparks zu Zwecken der Akklimatisierung wurde nicht intensiv verfolgt.

Seit den 1830er-Jahren entwickelte sich in Europa eine populäre Ausstellungskultur mit einem fließenden Übergang zwischen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und unterhaltenden Funktionen: neben den zoologischen Gärten entstanden botanische Gärten, ethnographische Sammlungen und Museen, ebenso wie die zu dieser Zeit aufkommenden Weltausstellungen. Die Präsentation des Fremden ist deutlich durch den Imperialismus und Kolonialismus geprägt. Die Eröffnung des Kölner Zoos fand in der Gründungswelle (1833-1865) von zoologischen oder botanischen Gärten statt, was darüber hinaus auch dem faktenbesessenen Sammel- und Ausstellungseifer dieser Zeit entsprach. Die Wiedereröffnung des Botanischen Gartens/Flora (1864) in Köln fiel ebenfalls in diese Phase.25 Daneben war die neue Institution „Zoologischer Garten“ ein Ausdruck des sozialen Wandels und der Manifestation der bürgerlichen Gesellschaft im Rahmen eines zunehmenden Nationalbewusstseins. Die Zoogründung war vor allem für die beteiligten Kölner Wirtschafts- und Bildungsbürger von Bedeutung. Sie sahen in ihr ein Zeichen, dass man sich den Herausforderungen der überseeischen Welt stellte, aber auch den Anschluss an Entwicklungen in anderen europäischen Städten nicht verpasste.26 Der zoologische Garten, verstanden als ein kulturelles Phänomen im Kolonialzeitalter, diente ebenfalls der Unterstützung und Popularisierung der kolonialen Expansion Deutschlands. Auch für Köln muss man davon ausgehen, dass der zoologische Garten von der dramatischen Ausweitung kolonialer Herrschaft profitierte und zur Konstruktion kolonialer Wirklichkeit beitrug. In den zoologischen Gärten entwickelten sich jene Techniken der Inszenierung von Wildheit und „Exotik“, die in der Durchführung von „Völkerschauen“ gipfelte. Der Kölner Zoo zählt somit zu den kolonialen Erinnerungsorten der Stadt Köln, da er viele Bezüge zum Kolonialismus aufweist.

Artenvielfalt ist auch heute im Kölner Zoo gegeben: „Rund 10.000 Tiere aus mehr als 700 verschiedenen Arten“ können sich die Besucher anschauen.27 Im Jahr 2010 feiert er sein 150-jähriges Jubiläum.

 

Quellen

Literatur

1 Text auf Bild: Das Nashorn im Zoologischen Garten zu Köln - Originalzeichnung von Ludwig Beckmann, Quelle: Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Bildnummer: 001-0020-10
2 Kölner Local-Nachrichten der Kölnischen Zeitung (Nr.201) vom 21. Juli 1860.
3 Vgl. Häßlin/Nogge 1985: 11.
4 Garthe1858: 5.
5 Garthe 1858: 5.
6 Bodenius 1864: 1. Zooführer.
7 Garthe 1858: 7.
8 Rieke-Müller 2001: 87.
9 Rieke-Müller/Dittrich 1998: 216.
10 Hässlin 1960: 27.
11 Ebenda.
12 Vgl. Goldmann 1991: 52.
13 Edwards 1996: 146.
14 Der Hamburger Carl Hagenbeck war Tierhändler, Unternehmer und Impresario. Seine Firma etablierte sich seit den 1870er-Jahren für mehrere Jahrzehnte als unumstrittener Marktführer auf dem Gebiet des Tierhandels. Daneben führte er den Handel mit Menschen aus Übersee zu Schaustellungszwecken ein und organisierte Tourneen dieser „Völkerschauen“ in ganz Europa. Im Hamburger Tierpark stellte er in seinem „Panorama der Welt“ also nicht nur Tiere, sondern in „Völkerschauen“ auch Menschen aus. Vgl. Reichenbach (1996): 54-62.
15 http://www.koelnerzoo.de/servicenavi/unternehmen/geschichte/ (19.1.2010).
16 vgl. Dittrich/Rieke-Müller 1998: 205.
17 1. Zooführer von 1864.
18 Vgl. Gewalt 1993: 38-39.
19 Historisches Archiv Bestand 950/262.
20 Vgl. Rieke-Müller 2001: 92.
21 Ebenda: 92.
22 Garthe 1858: 7.
23 Vgl. Honold 2001: 177.
24 Vgl. Gieseke 2006: 275 und Anzeigen 1906 bis 1913: Bestand 950/24.
25 http://www.stadt-koeln.de/6/gruen/flora/01059/ (19.1.2010).
26 Vgl. Rieke/Müller 2001: 87.
27 http://www.koelnerzoo.de/servicenavi/unternehmen/wir-ueber-uns/ (19.1.2010).

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Letzte Aktualisierung am: 19.01.2010