Köln Postkolonial

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Togostraße

Marisa Weiner

Straßenschild

Dreißig Jahre, von 1884 bis 1914, dauerte die deutsche Kolonialherrschaft in Togo. Die flächenmäβig kleinste der deutschen Kolonien in Afrika wurde von den Deutschen willkürlich nach einem Dorf benannt und genauso willkürlich zogen sie die Grenzen des Landes. Rücksichtslos wurden einerseits Völker getrennt und andererseits auf einem kolonialen Territorium unfreiwillig vereint. Die Deutschen waren somit an der Entstehung des heutigen Togo maßgeblich beteiligt. Auffällig im Vergleich zu den anderen deutschen Kolonien ist, dass Togo seit Beginn der deutschen Kolonialherrschaft das Image einer „Musterkolonie“ anhing. Dieses Trugbild wird bis heute oft bemüht, wenn es um die deutsche Kolonialzeit in Togo geht. Im Gegensatz zum „Maji-Maji-Krieg“ in Deutsch-Ostafrika oder dem „Herero-Krieg“ in Deutsch-Südwest gab es in Togo keinen bekannt gewordenen Kolonialkrieg. Dadurch entsteht leicht der Eindruck, in Togo habe es seitens der afrikanischen Bevölkerung keinen Widerstand gegen die koloniale Unterdrückung durch die Deutschen gegeben. Doch auch in Togo regte sich groβer Protest. Allerdings gelang es den deutschen Kolonialherren, diesen unter dem Deckmantel der „Musterkolonie“ gut zu verschleiern. Und somit musste die angeblich friedliche, scheinbar rentable deutsche Kolonie Togo immer wieder zur Rechtfertigung der gesamten deutschen Kolonialpolitik herhalten. Auf die deutsche folgten in Togo die englische und die französische Kolonialherrschaft, bis das Land 1960 nach 76 Jahren kolonialer Fremdbestimmung unabhängig wurde. Der Name „Togo“ ist geblieben.

Die Anfänge deutscher Kolonialherrschaft an der Togoküste (1884-1894)

1884 waren die relativ stabilen politischen und sozialen Bedingungen an der Togoküste das Ergebnis langfristiger historischer Entwicklungen. In der Region lebten zahlreiche, sich sprachlich und kulturell unterscheidende Gesellschaften. Die Bevölkerungsdichte war für relativ hoch, besonders dort, wo man sich vor den Auswirkungen des transatlantischen Sklavenhandels hatte schützen können. Seit dem 15. Jahrhundert war der Süden Westafrikas einschlieβlich der Togoküste kolonial beeinflusst worden. Zunächst beschränkte sich der Kontakt zwischen den europäischen Mächten und Afrika hauptsächlich auf den Export-Import-Handel sowie auf christlich missionarische Tätigkeiten. Auch die Deutschen waren in diesen Bereichen aktiv. Unter den europäischen Händlern und Firmenvertretungen in dem Gebiet waren die Deutschen allerdings im Vergleich zu den Engländern und den Franzosen zunächst in der Minderheit. Trotzdem gelang es einigen deutschen Handelsagenten unter Beteiligung des Generalkonsuls Dr. Gustav Nachtigal, mit einigen führenden Persönlichkeiten dieser Region am 4. und 5. Juli 1884 einen sogenannten Protektoratsvertrag abzuschlieβen.

Diese politische Maβnahme sollte dazu dienen, die jeweiligen ökonomischen Einzelinteressen zu verwirklichen. Die Deutschen wollten sich ihren Handelsgewinn uneingeschränkt sichern; die afrikanischen Vertragspartner wollten mit Hilfe einer der in dem Gebiet vertretenen Kolonialmächte ein Abhängigkeitsverhältnis über die vorgelagerten Küstenorte de jure installieren bzw. absichern. Denn die „Kings“ und „Chiefs“, die den Protektoratsabschluss unterzeichneten, standen im Konkurrenzkampf mit anderen afrikanischen Zwischenhändlern der Region. Ferner sahen sich die Afrikaner mit der offensichtlichen Tatsache konfrontiert, dass eine europäische Kolonialokkupation nicht mehr zu vermeiden war. 1884/85 einigten sich die Kolonialmächte nach der Berliner Kongokonferenz darauf, den Afrikanern keine modernen Präzisionswaffen zu verkaufen, was eine Verteidigung der Unabhängigkeit für die afrikanische Bevölkerung nahezu unmöglich machte. So ist der Vertrag auch unter dem Aspekt zu sehen, dass sich die afrikanische Seite angesichts der unvermeidlich scheinenden Errichtung einer direkten Kolonialherrschaft vertraglich wenigstens ein Höchstmaβ an Souveränität sichern wollte.

Beide Vertragsunterzeichner glaubten, sich gegenseitig übervorteilt zu haben, weil sie weit reichende Ansprüche mit nichts bezahlt hatten, doch Hauptnutznieβer des nicht geplanten Vertrags waren die Kolonialpolitiker in Deutschland. Sie hatten im Wettlauf der europäischen Groβmächte um die Kolonialgebiete ein wichtiges Dokument zur Sicherung von Ansprüchen gegenüber der britischen und der französischen Regierung erhalten.

Die Errichtung der Kolonialherrschaft über die gesamte Togokolonie (1894/95-1900)

In den Jahren darauf versuchte man das deutsche Kolonialgebiet, das zunächst nur einen Küstenstreifen umfasste, möglichst weit ins Landesinnere auszudehnen und den Einflussbereich zu erweitern. Zu diesem Zweck unternahmen die Deutschen mehrere als „Wissenschaftsexpeditionen“ deklarierte Eroberungsexpeditionen, bei denen durch Machtdemonstration die Bevölkerung eingeschüchtert werden sollte. Die Expeditionen bestanden aus einer Truppe von über hundert afrikanischen Trägern und Söldnern, die von einem halben Dutzend Deutscher angeführt wurde. Man schloss weitere Schutzverträge ab und gründete deutsche Stationen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich die Expeditionen zu regelrechten Raubzügen. Man versuchte die lokale Bevölkerung systematisch zu unterwerfen, indem man plünderte, mordete, Dörfer niederbrannte, unter fadenscheinigen und ungerechtfertigten Gründen Gefechte anzettelte sowie Frauen und Kinder gefangen nahm. Die militärische Überlegenheit der deutschen Truppen war verheerend, obwohl die Afrikaner sie zahlenmäβig weit übertrafen. Vor allem der Einsatz von Maschinengewehren führte zu groβen Verlusten in der afrikanischen Bevölkerung. In wenigen Jahren hatten die deutschen Kolonialisten im Hinterland der Togoküste durch Waffengewalt, Erpressung, Betrug und Drohung ein groβes Territorium erobert. Unter dem Strich verdoppelte sich das Gebiet der Kolonie. 1900 war die territoriale Ausdehnung beendet und die deutsche Kolonie Togo erreichte ihre endgültige Gröβe von 87000 km 2.

Togo unter den Bedingungen imperialistischer Kolonialpolitik (1900-1914) 

Um die Jahrhundertwende erfolgte in Togo ein intensiveres koloniales Einwirken auf allen Gebieten. Nunmehr sollte die gesamte Kolonie fest in die Belange der deutschen Wirtschaft einbezogen werden, sollte ausschlieβlich Rohstoffproduzent, Absatzmarkt und Kapitalanlagesphäre werden. Diese Zielsetzung konnte bis 1914 nur teilweise verwirklicht werden. Die Ausbeutung Togos geschah vorrangig über die Administration, die Arbeitsleistungen bzw. Geld- und Steuereinnahmen mit auβerökonomischen Maβnahmen erzwang, ferner über das deutsche Privatkapital im Groβhandel und in Plantagengesellschaften. Investitionen, wie zum Beispiel in die Eisenbahnstrecke, dienten einer intensiveren Ausbeutung des Landes durch die verbesserte Infrastruktur, nicht aber der einheimischen Bevölkerung. Im Gegenteil versuchte die deutsche Kolonialpolitik sogar, Afrikaner an einer Übernahme des damals möglichen „Fortschritts“ zu hindern. Man wollte „traditionelle“ afrikanische Gesellschaftsstrukturen, insbesondere das sogenannte „Häuptlingswesens“, aufrechterhalten, weil man so am besten das Kolonialregime dauerhaft zu etablieren glaubte.

Die togoische Bevölkerung versuchte vergeblich gegen die Kolonialpolitik der Deutschen Beschwerde einzulegen. Hauptkritikpunkte waren die viel zu hohen Steuern, Landenteignungen, die Bestrafung ohne Untersuchung, die Zwangsarbeit – die es unmöglich machte, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, der häufige Missbrauch minderjähriger Mädchen durch einige deutsche Kolonialisten, das Strafgesetz, welches Deutsche bevorzugt behandelte und die Afrikaner in Ungewissheit ließ, warum sie bestraft wurden, die viel zu harten Haftbedingungen (Kettenhaft, Unterernährung, häufige Todesfälle) und die Prügelstrafe bzw. der andauernde Gebrauch der Peitsche. Die Prügelstrafe war nicht nur eine Bestrafungsform der Exekutive, sondern wurde als systemerhaltendes Mittel angesehen, um Ausschreitungen zu verhindern. Jeder Deutsche durfte einen Afrikaner schlagen. Die berüchtigten „25“, die Norm der Prügelstrafe, wurde somit zum Symbol des deutschen Kolonialismus in Togo.

Polizeitruppe Togo
Die Polizeitruppe von Togo stand für koloniale Gewalt (Bildbestand der DKG, Frankfurt)

Durch Gewalt und Androhung von Gewalt konnte die Herrschaft einer Minderheit von nur 350 Kolonialdeutschen über eine Millionen Afrikaner gesichert werden. Die Anweisung und Ausführung von Befehlen wirkte bis in die entferntesten Winkel der Kolonie. Die deutsche Kolonialpolitik in Togo im imperialistischen Stadium hatte somit die für diese Etappe typischen Bedingungen geschaffen: Die Bevölkerung war militärisch-politisch unterworfen und die strukturelle Abhängigkeit im kapitalistischen Weltsystem gefestigt worden. Als die deutschen Herren weichen mussten, konnten andere Kolonialmächte auf diesem Fundament die Nachfolge antreten.

 

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Letzte Aktualisierung am: 27.03.2008