Köln Postkolonial

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Usambarastraße

Andrea Biesler

Straßenschild

Bei der Usambarastraße mag man unweigerlich an das Usambaraveilchen denken, eine hierzulande bekannte Topfpflanze, die vornehmlich bei älteren Damen die Fensterbänke ziert. Ganz abwegig ist die Verbindung von Straßenname zu Pflanze nicht. Denn Usambara bezeichnet eine Bergregion im Nordosten Tansanias, die nicht nur dem Veilchen, sondern auch der Straße im Kölner Stadtteil Nippes seinen Namen verlieh.

Am 13. September 1990 beschloss die zuständige Bezirksvertretung Nippes auf Antrag der Grünen, die Lüderitzstraße in Usambarastraße umzubenennen.1

Franz Adolf Eduard Lüderitz, nach dem die Straße 1935 benannt worden war, war in der Zeit des Nationalsozialismus einer jener vorgeblichen kolonialen Helden, der zudem noch als „Vater der ersten deutschen Kolonien“ gefeiert wurde. Man versuchte, ihm und der deutschen Kolonialpolitik so ein Denkmal zu setzen und den Gedanken der Rückgewinnung der ehemaligen Kolonien zu propagieren. Der Bremer Großkaufmann Lüderitz erwarb auf betrügerische Art im heutigen Namibia ein Gebiet von 580 000 qkm mit etwa 200.000 Einwohnern. Er setzte verbrecherische Verträge auf, die für seine afrikanischen Verhandlungspartner nicht durchschaubar waren, und hoffte, sich dadurch an den Bodenschätzen dieser Region bereichern und eine deutsche Kolonialpolitik voranzutreiben zu können.2 Um sich abzusichern, wollte er aus seinen gekauften Regionen deutsche „Schutzgebiete“ machen. Mehrmals versuchte er, Bismarck von seinen Vorhaben zu überzeugen und ihn dazu zu bewegen, das Gebiet unter die „Schutzherrschaft des Deutschen Reiches“ zu stellen. Bismarck jedoch wollte davon zunächst nichts hören, denn er hatte keine kolonialen Bestrebungen. Wichtig schien ihm auch, die Ansprüche der Kolonialmacht England zu berücksichtigen, die in der Region bereits einige Gebiete besaß. Doch Lüderitz’ Ehrgeiz und Hartnäckigkeit wurden am 7. August 1884 belohnt – „Deutsch-Südwestafrika“, die erste überseeische Siedlungskolonie Deutschlands war geboren. Durch diese „Pionierarbeit“ machte Lüderitz den Wert kolonialen Besitzes in Deutschland populär und wurde gefeiert wie ein Held. Doch schon ein Jahr später stand er vor dem finanziellen Ruin. Lüderitz, der sein ganzes Vermögen in seine kolonialen Unternehmungen steckte, war gezwungen, sein Land zu verkaufen. Am 4. April 1885 übernahm die „Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika“, die von ihm mit gegründet worden wa4r und ansonsten aus einflussreichen Bankiers und Unternehmern bestand, seine Land- und Bergrechte. Auf diese Art versuchte man zu verhindern, dass der Besitz in englische Hand überging. Im Oktober 1886 ertrank Lüderitz wahrscheinlich auf einer Forschungsfahrt in der Mündung des Oranj- Flusses, seinen Leichnam hat man nie gefunden.

Usambaraberge
Die Usambaraberge im Nordosten Tansanias.© Foto: Balraj A. Sohanpal

Warum nun die Lüderitzstraße in die Usambarastraße umbenannt wurde, ist interessant zu hinterfragen. Eingangs wurde bereits erwähnt, dass es sich bei Usambara um eine Region in Tansania handelt. Diese war von 1890 bis 1922 ein Teil des Schutzgebietes „Deutsch-Ostafrika“, in dem vornehmlich der deutsche Reichskommissar und Offizier Carl Peters wirkte. Unter seinem Kommando standen unter anderem die Bezirke Kilimandscharo und Paré, die er mit äußerster Brutalität der einheimischen Bevölkerung gegenüber verwaltete. Zwischen Lüderitz und Usambara hingegen gab es keinerlei Verbindung.

Die Grünen, die den Prozess der Umbenennung vorantrieben, wollten die Lüderitzstraße in Marengostraße umbenennen. Sie fanden es angemessen, den historischen Rahmen einzuhalten und eine Symbolfigur für den Freiheitskampf der afrikanischen Völker gegen die rassistische Unterdrückung zu wählen. Jakob Marengo war der wichtigste Anführer des afrikanischen Widerstandskampfes gegen die deutsche Kolonialherrschaft in „Deutsch-Südwestafrika“. 1907 wurde er erschossen. Der Vorschlag der Grünen ging einigen Politikern in der Kölner Stadtverwaltung jedoch zu weit. Mehrere sprachen sich dagegen aus. Offensichtlich war ihnen der Vorschlag zu politisch und vor allem zu „links“. Stattdessen wurde vorgeschlagen, die Straße beispielsweise nach bekannten Lokalpolitikern aus dem liberalen Lager zu benennen. Auch die Bevölkerung sollte im Rahmen einer Bürgeranhörung an der Namensgebung beteiligt werden, da Straßenumbenennungen aufgrund des damit verbundenen, nicht unerheblichen Verwaltungsaufwandes meist auf massiven Widerstand stoßen.

Letzten Endes entschied sich die Bezirksvertretung mit Blick auf die anderen afrikanischen Straßennamen in dem als „Afrika-Viertel“ bekannten Stadtteil für einen Namen, der auch wieder auf Kontinent Bezug nehmen sollte.3 Die Lüderitzstraße sollte in Namibiastraße umbenannt werden und damit weiterhin auf die Region verweisen, in der der Bremer Kolonialist tätig gewesen war. Entsprechend sollte sich die Carl-Peters-Straße als Usambarastraße auf Tansania (ehemals Deutsch-Ostafrika) beziehen. Darüber, wie es zur offensichtlichen Verwechselung bei der Umbenennung kam, kann nur spekuliert werden.

Abschließend wäre zu überlegen, warum auch die neuen Straßennamen auf die ehemaligen deutschen „Schutzgebiete“ referieren. Setzt sich dadurch nicht wohlmöglich eine weitere Aneignung Afrikas fort, in dem man daran erinnert, was man einst besaß…..?

 

Literatur

1 Alle Angaben zur Lüderitzstraße aus der entsprechenden Akte des Katasteramtes.
2 Zur Geschichte des „Schutzgebietes“ Deutsch-Südwest siehe Zimmerer & Zeller 2003.
3 Angaben zur Usambarastraße aus der entsprechenden Akte des Katasteramtes.

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Letzte Aktualisierung am: 27.03.2008