Köln Postkolonial

Die Themen:

Personen

„Künstlerischer Pionier des deutschen Kolonialgedankens“
Der Tierplastiker Fritz Behn

Joachim Zeller

Köln beherbergt mehrere Werke des Münchner Bildhauers Fritz Behn, darunter die bronzenen Figurengruppen „Diana mit springender Antilope“ am Sachsenring, das „Mädchen mit Panther“ im Kölner Zoo oder den „Panther“, der im Marienburger Südpark steht. Wer war dieser Künstler und was hat er mit der deutschen Kolonialgeschichte zu tun?

Fritz Behn (1878-1970) gehört zu den profiliertesten deutschen Tierbildhauern des 20. Jahrhunderts. Die Tierwelt Afrikas stand zeitlebens im Mittelpunkt seines künstlerischen Schaffens. Auf drei ausgedehnten, in den Jahren 1907/08, 1909/10 und 1931/32 unternommenen Reisen durch Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) und Britisch-Ostafrika (heute Kenia) studierte er die afrikanische Tierwelt. Die Behn’schen Expeditionen sind ein beredtes Beispiel für den Eskapismus jener Tage. Wie andere Künstler seiner Zeit hatte es ihn aus Europa mit seiner „organisierten Überzivilisation“ in die Exotik der Tropen, in die „Wildnis“ hinausgezogen. Im kolonialen Afrika - und später in den Alpen - hoffte er auf die erlösende Rückkehr zum Ursprünglichen und suchte das unverfälschte Leben. Der „dunkle Kontinent“ erschien ihm als Hort ungebrochener Vitalität und Ursprünglichkeit. Von dem auf den Reisen erlegten Großwild fertigte er Gipsabgüsse, die er zu Studienzwecken in seinem Atelier aufstellte. Behn hielt sogar zeitweise zwei Löwen in seinem Gartenatelier in der Münchner Mandlstraße. Sein umfangreiches Oeuvre umfasst eine Vielzahl von Groß- und Kleinskulpturen, Löwen, Leoparden, Antilopen, Büffel, Nashörner, Elefanten darstellend, die Zeugnis von seinen afrikanischen Expeditionen ablegen. Behn schwärmte: „Afrika ist vielleicht das Land der Bildhauer...“ Die afrikanischen Kolonien des deutschen Kaiserreichs sah er als „eine ungeheure Fundgrube für die bildende Kunst, in gewisser Beziehung sogar für einen Jungbrunnen unserer Kunst.“

Vor und nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich der Künstler in den Dienst der deutschen Kolonialbewegung. So wurde nach dessen Plänen 1932 in Bremen das von der Deutschen Kolonialgesellschaft gestiftete „Kolonial-Ehrenmal“ errichtet. Das Monument in Gestalt eines über einer Krypta stehenden, fast 10 Meter hohen afrikanischen Elefanten sollte als Mahnmal für den anhaltenden Anspruch Deutschlands auf seine durch den Versailler Vertrag (1919) „geraubten“ Kolonialgebiete fungieren.

Die Inschrift lautete trotzig: „UNSEREN KOLONIEN“. Bei dem in der Hansestadt ausgeführten Denkmal handelte es sich um eine modifizierte Fassung desjenigen Entwurfs, den der Bildhauer 1913/14 für den Wettbewerb zur Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Berlin eingereicht und mit dem er seinerzeit den ersten Preis gewonnen hatte. Die Berliner Denkmalsplanungen waren jedoch infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht mehr zur Ausführung gelangt. Das Monument in Bremen war neben dem von Adolf Kürle geschaffenen Wissmann-Denkmal in Hamburg die zentrale Kultstätte in Deutschland, an der die Vertreter der Kolonialbewegung zusammenkamen, um öffentlichkeitswirksam neokoloniale Propaganda zu betreiben.

Das kolonialpolitische Engagement von Behn kam in der Mitarbeit an einem weiteren ehrgeizigen Denkmalprojekt der kolonialrevisionistischen Bewegung zum Ausdruck, dem seit 1930 bei Eisenach geplanten „Reichskolonial-Ehrenmal“. Vorgesehen war ein raumgreifender Memorialkomplex, dessen Zentrum ein „Ehrenhof“ und ein „Mahnmal“ in Form eines als Palme stilisierten, dreißig Meter hohen Obelisken bilden sollte. Der Entwurf für den Obelisken stammte von Behn. Allerdings erwies sich in den folgenden Jahren die Beschaffung von Spendengeldern als nicht zu lösendes Problem, weshalb das von Anfang an überdimensionierte Eisenacher Denkmalprojekt nie über die Planungsphase hinausgelangte.

Behn betätigte sich zudem als Porträtist von Persönlichkeiten aus der Kolonialpolitik: Schon 1912 hatte er eine Bronzebüste von dem Staatssekretär des Reichskolonialamtes, Dr. Wilhelm H. Solf, modelliert und 1960 eine Büste von Paul von Lettow-Vorbeck, dem „Held von Ostafrika“ und Symbolfigur der deutschen Kolonialbewegung in den 1920er und 1930er Jahren.

In seinen beiden Afrika-Büchern („‘Haizuru...‘ Ein Bildhauer in Afrika“ [1918] und „Kwa Heri - Afrika! Gedanken im Zelt“ [1933]), in denen Behn die Erlebnisse seiner Reisen durch den „dunklen Erdteil“ schildert, äußerte er sich auch zu kolonialpolitischen Fragen. Er vertrat einen rigiden Herrenstandpunkt: Die koloniale Vorherrschaft der Europäer sei nur durch eine „strikte Trennung zwischen Schwarz und Weiß“ aufrechtzuerhalten, auch seien „Rassenmischehen“ abzulehnen. „Rassengefühl“, so Behn, „bedeutet hier, wie überall, alles. Unser weißes Prestige allein setzt uns in den Stand, unsere Kolonien zu halten. Wie können wir es sonst wagen, mit diesen paar Tausend Europäern, Millionen Schwarzer im Zaume zu halten? Ein warnendes Beispiel sei uns Amerika, das längst seine Humanitätsideen in der Negerfrage bereut.“ Bezeichnend für Behn als entschiedener Verfechter deutscher Kolonialpolitik ist dessen publizistischer Einsatz für den durch seine Kolonialskandale kompromittierten Karl Peters („Hänge-Peters“), den er jeglicher Vergehen freisprach. Beide waren übrigens miteinander bekannt. Behn hatte Karl Peters im Jahr 1906 bei einem Vortrag in München kennengelernt und war nach dieser Begegnung in seinem Wunsch nach Afrika zu reisen, bestärkt worden.


Wettbewerb für ein Kolonialkriegerdenkmal in Berlin 1913/14, Entwurf von Fritz Behn, 1. Preis.
(Bild: Daheim, 20.6.1914)

Dass Fritz Behn - der ebenso mit Grabmälern, Brunnenanlagen, Kriegerdenkmälern, Personendenkmälern (z.B. das Albert-Schweitzer-Denkmal in Günsbach/Elsaß) wie als Zeichner und Maler hervortrat - nach 1945 ignoriert und weitgehend in Vergessenheit geriet, hängt vor allem mit dessen Werdegang in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft zusammen. Der in politischen Fragen erzkonservative Behn, vertrat schon früh antidemokratische und national-völkische Positionen. Noch im Monat von Hitlers Machtübernahme votierte er für die Wiedereinsetzung der bayerischen Monarchie. Aus seiner Sympathie für die Diktatoren Europas machte er keinen Hehl. Desavouierend bleibt das Buch, in dem Behn die Entstehung seiner Büste von Benito Mussolini schildert („Bei Mussolini - Eine Bildnisstudie“ [1934]). Er bringt darin offen sein elitär-demokratiefeindliches Weltbild zum Ausdruck und verherrlicht den „Duce“ und den italienischen Faschismus; sogar antisemitische Töne sind in dem Buch zu finden. Weniger bekannt ist seine Porträtbüste von Hitler, die er später im Auftrag der Lübecker Handelskammer schuf. Die Professur an der Wiener Kunstakademie, die Behn von 1939 bis 1945 bekleidete, wäre ihm sicherlich nicht ohne seine ideologische Nähe zum NS-Regime angetragen worden. Als erklärter Anti-Modernist hatte er fortgesetzt gegen die avantgardistischen Strömungen der zwanziger Jahre und gegen das „Chaos der Kulturzersetzung“ gewettert. Gleichwohl spielte er in der Bildhauerei des Dritten Reichs eine nachgeordnete Rolle. Ein Protagonist der NS-Staatskunst war Behn nicht. Zu seiner großen Enttäuschung erhielt er keinen einzigen großen repräsentativen Auftrag von Seiten des NS-Regimes. Die damaligen Machthaber bekundeten ein nur mäßiges Interesse an seiner Kunst.


„Kudu-Denkmal“, Bronze, 1960, Windhoek.
(Bild: Joachim Zeller)

Bei alledem kann Fritz Behn, der einstmals als „künstlerischer Pionier des deutschen Kolonialgedankens“ gefeiert wurde, mit seinem umfänglichen Werk von Tierskulpturen zu den wichtigsten deutschen Animaliers des 20. Jahrhunderts gezählt werden. Er gehört zu jener Riege von Bildhauern, die der autonomen Tierskulptur in Deutschland zum Durchbruch verhalf. Fritz Behn lieferte - wie etwa die Maler Wilhelm Kuhnert (1865-1960) und Ernst Vollbehr (1876-1960) - Bilder des Fremden, nach denen der Kolonialismus zu seiner Legitimation verlangte. Die Tierkunst von Behn ist nur vermeintlich unpolitisch gewesen, wie sich überhaupt der Exotismus im Zeitalter des Imperialismus zunehmend politisiert zeigte. Sie inszenierte ein Bild der afrikanischen Natur - oder vielmehr das idealisierte Bild einer imaginären Topographie -, das wesentlich zur emotionalen Besetzung des Kolonialismus beitrug und damit zur Vereinnahmung der Errungenschaften imperialer Politik in Übersee. Getrieben von dem Wunsch nach exotistischer Entgrenzung, mutierten Behns Projektionen von „Wild-Afrika“ zur Chiffre für die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Vitalität. In geradezu klassischer Weise verkörpert der Zivilisationsverächter den Konflikt zwischen Kultur und Natur. Für ihn repräsentieren die Tropen die Negation Europas mit seiner verhassten Moderne. Zu einer Öffnung für das Andere konnte es dabei nicht kommen, ganz zu schweigen von einem „Dialog der Kulturen“. Die aus dem Jahr 1926 stammende These von Carl Einstein, dass der angestrengte Exotismus der klassischen Moderne den „expansiven Imperialismus der Vorkriegszeit“ mit anderen Mitteln fortsetzte, findet in dessen Werken ihre Bestätigung.

Im Jahr 2006 wurde das 1973 eingerichtete „Fritz-Behn-Museum“ in Bad Dürrheim/Schwarzwald aufgelöst und die ca. 300 Werke der Sammlung von einem Münchener Auktionshaus versteigert. Die meisten Arbeiten gelangten in die private Sammlung von Karl H. Knauf in Berlin.

 

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Letzte Aktualisierung am: 12.05.2020