Köln Postkolonial

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Presse

Kölner Stadt-Anzeiger, 4.4.2007

Köln und der „Platz an der Sonne“

Die Ära der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika und in Übersee (1884-1918) währte nur kurz. Doch sie hinterließ Spuren in den ehemals so genannten deutschen „Schutzgebieten“ im heutigen Togo, Kamerun und Tansania, in der Südsee und in China. Vor allem in Namibia suchen deutsche Touristen heute gerne nach den Resten von „Deutsch-Südwest“.

Aber auch in Köln gibt es Erinnerungsreste, mit denen die meisten freilich kaum mehr die deutsche Kolonialzeit in Verbindung bringen können. Das will der Verein „KopfWelten“ nun über ein Forschungsprojekt ändern, bei dem die Kölner zur Teilnahme eingeladen sind.

Im Internet werden Aufsätze, Dokumente, Fotografien, Zeitzeugnisse veröffentlicht, die aus und von der Zeit erzählen, als Köln - neben Hamburg und Berlin - eine „Kolonialmetropole“ war. Auch in Köln setzte man sich noch bis zum Zweiten Weltkrieg für die Rückgewinnung der ehemaligen „Schutzgebiete“ ein. Wer weiß schon noch, dass Konrad Adenauer neben den vielen Ämtern, die er versah, auch einmal stellvertretender Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft war. Oder dass die Kölner Handelshochschule 1908 vier Professoren und 25 Studenten zu einer Expedition nach Deutsch-Ostafrika entsandte. Es gab vielfältige Beziehungen zu den Kolonien: Kölner Bankiers unterhielten wirtschaftliche Beziehungen; Kölns Schokoladenfabriken bezogen ihren Rohstoff aus Afrika.

Doch hinter all diesen mehr oder weniger bekannten Details stehen Geschichten und Lebensläufe, die WissenschaftlerInnen wie die Kölner Afrikanistik-Professorin Marianne Bechhaus-Gerst zu entdecken hoffen. „Vielleicht gab es ja den ein oder anderen Urgroßvater, der in seiner Jugend Mitglied der deutschen Schutztruppen in Afrika war“, so Bechhaus-Gerst. Vielleicht bergen alte Fotoalben noch Geschichten und Geschichte, und damit ein ungehobenes Kölner Geschichts-Kapitel.

Die Erinnerungsreste ragen eher versteckt in die Kölner Gegenwart. Viele werden die „Diana mit springender Antilope“ auf dem Grün des Kölner Sachsenrings kennen, oder das „Mädchen mit Panther“ im Kölner Zoo. Beide Skulpturen stammen von dem Bildhauer Fritz Behn (1878 bis 1970), der sein frühes Schaffen ganz in den Dienst der deutschen Kolonialbewegung stellte. Auf dem Friedhof Melaten, in der Familiengruft der Kölner Industriellenfamilie Eugen Langen, liegt seit 1905 Hermann von Wissmann begraben, einer der umstrittensten deutschen „Kolonialhelden“. Der Offizier wütete unter dem Vorwand der Antisklaverei-Bewegung blutig in Bagamoyo und Daressalam. Als Reichskommissar brachte es Wissmann zu zweifelhaftem Ruhm, und sein rassistisches und brutales Vorgehen führte 1905 mit zum Maji-Maji-Krieg, dem zwischen 75 000 und 300 000 Afrikaner zum Opfer fielen. Auch in Köln jubelten ihm die Massen zu, und noch heute ist eine Straße in Ehrenfeld nach ihm benannt.

Großer Beliebtheit erfreuten sich in Köln die Völkerschauen, durchs ganze Reich tourende Jahrmarktsunterhaltungen, bei denen vorzugsweise spärlich bekleidete Menschen fremder Völker gegen Eintritt begutachtet werden konnten. Solche „Exoten“-Schauen, unter anderem in dem dazu passenden Ambiente des Kölner Zoos veranstaltet, fanden in Köln zwischen 1879 und 1932 statt. Fernweh, Sensationslust und Voyeurismus befriedigte auch „Castans Panoptikum“ auf der Hohe Straße. In den Kolonien wurden Frauen engagiert, die mehrmals täglich als angebliche „Amazonen von Dahomey“ martialische Schwertkämpfe vorführten, die man ihnen zuvor beigebracht hatte. Während des Ersten Weltkrieges zogen die Tirailleurs, kriegsgefangene afrikanische Kolonialsoldaten, die Kölner Öffentlichkeit in die Lager in der Wahner Heide. Da wurden sie noch bestaunt. Als die Kolonialsoldaten 1920 dann unter den Siegern in Köln einrückten, gingen viele Kölner auf Abstand. Andere kamen sich so nah, dass auch kölsche Pänz aus den Beziehungen deutscher Frauen mit afrikanischen Soldaten hervorgingen - in der Nazi-Zeit wurden diese als „Rheinlandbastarde“ unter anderem im evangelischen Krankenhaus Köln-Weyertal zwangssterilisiert.

In den 50er Jahren, als das touristische Fernweh erwachte, wurden in einer Fabrik in Köln-Junkerdorf Wandmasken und Skulpturen nach afrikanischen Vorbildern des Rautenstrauch-Joest-Museums gefertigt - für deutsche Wohnzimmer, aber auch für den Souvenir-Markt in Kenia. Die Masken wurden dann von Afrika-Touristen als Andenken zurück nach Deutschland gebracht.

Vielleicht hat der ein oder andere Kölner noch eine dieser „Original-Afrika-Masken“ und weiß dazu eine Geschichte zu erzählen. Schließlich und endlich geht es darum, über „koloniales Gedankengut“ aufzuklären, das vielleicht noch in Kölner Kopfwelten schlummert.

Wer zu diesem Projekt etwas beitragen möchte, kann unter Ruf 0177 - 86 76 117 Kontakt mit dem Verein aufnehmen.

(Rüdiger Heimlich)

kp

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Letzte Aktualisierung am: 18.11.2008