Köln Postkolonial

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Presse

Kölner Stadt-Anzeiger, 18.11.2008

Pionierarbeit an dunklem Kapitel der Geschichte

Mit einer Gruppe von Studierenden hat eine Afrikanistik-Professorin eine Ausstellung zur Kolonialzeit in Köln konzipiert. Bereits vor einem Jahr hat die Spurensuche nach dem Kapitel der Kölner Geschichte, das gerade erst aufgearbeitet wird, begonnen.

Wie haben Kölner Bürger die Kolonialzeit erlebt? Welche Beziehung hatten bekannte Unternehmer, Politiker und Journalisten zu den deutschen Kolonien? Und wie hat diese Zeit die Stadt und unser Denken geprägt? Die Kolonialzeit ist ein Kapitel der Kölner Geschichte, das gerade erst aufgearbeitet wird: „Wir leisten Pionierarbeit“, sagt Marianne Bechhaus-Gerst. Zusammen mit einer Gruppe von Studierenden arbeitet die Professorin für Afrikanistik seit mehr als einem Jahr an dem Projekt „Köln-Postkolonial“. Dabei ist die Vorsilbe „Post“ nicht unbedingt zeitlich gemeint - es geht vielmehr darum, zu verdeutlichen, dass diese Epoche der Unterdrückung und Ausbeutung ferner Völker die Kölner auch mehr als 100 Jahre später noch betrifft. Mit diesem Ziel begab sich die Professorin vor einem Jahr mit ihrem Seminar auf Spurensuche. Die wichtigsten Ergebnisse haben sie auf einer Website zusammen getragen.

Dort findet sich zum Beispiel auch ein kurzer Abriss der Geschichte der afrikanischen Kriegsgefangenen und Besatzungssoldaten in Wahn. Von 1914 bis 1917 wurden dort französische Kolonialsoldaten aus Nordafrika und dem Senegal in Lagern gefangen gehalten. „Diese Soldaten erschienen der Kölner Bevölkerung derart exotisch, dass sogar Postkarten mit ihren Bildern gedruckt wurden“, erzählt Marianne Bechhaus-Gerst. 1920 kamen dann erneut Franzosen mitsamt afrikanischen Kolonialsoldaten nach Wahn - aber dieses Mal als Besatzer. „Es gab eine ganze Reihe von Beziehungen zwischen deutschen Frauen und afrikanischen Soldaten“, berichtet die Professorin. Die Kinder aus diesen Beziehungen seien unter den Nationalsozialisten als „Rheinlandbastarde“ bezeichnet worden. Hermann Göring habe als preußischer Ministerpräsident die Regierungspräsidenten im Rheinland angewiesen, Statistiken über diese Kinder zu erstellen. Am Ende seien die Nachkommen von deutsch-afrikanischen Eltern 1937 systematisch sterilisiert worden. „Auch in Köln, unter anderem im evangelischen Krankenhaus in Köln-Weyertal, wurden diese Kinder zwangssterilisiert“, so Bechhaus-Gerst.

Ihre Forschungsergebnisse haben die Professorin und ihre Studenten nun auch für eine Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum aufbereitet. Auf Schautafeln geben Texte einen Überblick, dazu werden alte Fotografien und Grafiken gezeigt. „Mich hat es unheimlich motiviert, nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere zu arbeiten“, sagt Kathrin Treins. Das Thema hat die 27-Jährige so fasziniert, dass sie beschlossen hat, ihre Magisterarbeit über die Beziehung des Unternehmers Eugen Langen zur Kolonialpolitik zu schreiben. Der Kölner gründete die „Gasmotorenfabrik Deutz“ - ein Vorläufer der heutigen „Deutz AG“ - und wurde unter anderem berühmt für seine Beteiligung bei der Entwicklung des Ottomotors und der Schwebebahn. In Köln ist Eugen Langen als Steinfigur auf dem Ratsturm verewigt und auch eine Straße in Marienburg ist nach ihm benannt. „Eugen Langen wird als lokale Größe verehrt und wurde bis heute nie kritisch betrachtet“, sagt die Studentin der Afrikanistik. Dabei gebe es neben Langens Verdiensten auch Aspekte in seiner Biografie, die ihr aus heutiger Sicht bedenklich erscheinen: „Zum Beispiel war Eugen Langen Vorsitzender der Kölner Abteilung der »Deutschen Kolonialgesellschaft«, die eine expansive Kolonialpolitik propagierte.“ Sogar ein Ort in Deutsch-Ostafrika sei nach dem Kölner Unternehmer benannt worden.

Seminararbeit mit Folgen

Auch Britta Wiese hat sich entschlossen, ihre Magisterarbeit zu dem Thema zu schreiben. Die 25-jährige Afrikanistik-Studentin hat sich besonders mit Hugo Zöller beschäftigt - einem Journalisten der „Kölnischen Zeitung“, der Vorgängerin des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das war damals eine der größten deutschen Zeitungen, und beeinflusste dementsprechend die öffentliche Meinung.“ Zöller reiste für die „Kölnische“ als Auslandskorrespondent in die Kolonien. Seine Berichte seien eindeutig pro-kolonial gewesen: „Es war sein Lebenswerk, die Errichtung von Kolonien voranzutreiben.“ Zöller habe sich aber nicht nur auf das Schreiben von Artikeln beschränkt - er habe auch im Auftrag von Reichskanzler Otto von Bismarck sogenannte koloniale „Schutzverträge“ in Kamerun abgeschlossen.

Das Beispiel Kölner Prominenter wie Eugen Langen und Hugo Zöller zeigt, wie stark die Stadt die deutsche Kolonialgeschichte prägte und wie sehr sie gleichzeitig von ihr geprägt wurde.

Und diese Geschichte wirkt bis heute fort: „Unser Umgang mit dem »Fremden« ist von Bildern und Vorurteilen bestimmt, die aus der Kolonialzeit stammen“, sagt Lisa-Marie Rohrdantz. Für die Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum hat die Studentin diese Bilder und Vorurteile untersucht. „Afrikaner werden als ungebildet und primitiv beschrieben“, berichtet die 26-Jährige: „Außerdem denken viele, Afrikaner seien per se musikalisch und könnten ganz toll tanzen, trommeln und singen.“ Weitere Assoziationen mit Afrikanern, denen die 26-Jährige oft begegnete, waren „faul“ und „arm“. Für ihre Magisterarbeit hat sie Fragebögen ausgewertet und persönliche Gespräche geführt - darunter auch mit vielen Kölner Kommilitonen. „Und die sagen alle von sich, auf keinen Fall rassistisch zu sein.“

Die Ausstellung „Köln-Postkolonial“ ist vom 22. November bis zum 21. Februar im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen.

(Kerstin Meier)

kp

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Letzte Aktualisierung am: 18.11.2008