Köln Postkolonial

Die Themen:

Die (koloniale) Begegnung

Kölner Soldaten in den Kolonialkriegen

Marianne Bechhaus-Gerst

Die Menschen in den Kolonialgebieten leisteten von Anfang an erbitterten Widerstand gegen die gewaltsame Aneignung ihrer Gebiete und die Zerstörung gewachsener Strukturen. Widerstand wurde auf unterschiedlichen Ebenen geleistet. So wurde das Deutsche Reich bis zum Ersten Weltkrieg in diverse Widerstandskriege gezwungen. Der hierzulande wohl bekannteste ist der Krieg gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika in den Jahren 1904-1908. Weniger bekannt, aber äußerst verlustreich für die einheimische Bevölkerung war der Maji-Maji Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905, mit geschätzten 300.000 direkten oder indirekten Opfern. Schon 1888 wurden im sogenannten „Araberaufstand“ in Ostafrika deutsche Soldaten eingesetzt, um den Widerstand der einheimischen Bevölkerung zu brechen und die deutsche Kontrolle über die Kolonie zu sichern. Im Verlaufe der Kolonialkriege wurden viele Tausend deutsche Soldaten nach Übersee verschifft. Und zu diesen gehörten auch Männer aus Köln, die in den deutschen Kolonialgebieten den Widerstand der einheimischen Bevölkerung bekämpften und an kolonialer Gewalt bis hin zum Völkermord beteiligt waren. Wie viele es insgesamt waren, lässt sich kaum noch erschließen.

Anzeige zur Eröffnung von Pelzers Restaurant
im Stadt-Anzeiger vom 12.8.1904

Einer dieser Kolonialsoldaten war Nikolaus Pelzer, der im August 1904 in Ehrenfeld, Ecke Pius- und Vogelsanger Straße, das Restaurant „Afrika“ eröffnete. In einer Werbeanzeige pries Pelzer die „prachtvolle[n] afrikanische[n] Stücke“ an, die dort ausgestellt seien. „Erworben“ hatte er diese Ausstellungsstücke während seiner Zeit als Feldwebel in der „Schutztruppe“. In welcher deutschen Kolonie er tätig war, verrät die Anzeige nicht, und kaum mehr lässt sich über Pelzer in Erfahrung bringen. Über einige Jahre ist das Restaurant in den Kölner Adressbüchern aufgeführt.1

Hermann Kessler nahm an der brutalen Niederschlagung des sogenannten „Boxeraufstands“ in China teil.2 Der 1873 geborene Kessler hatte sich als Freiwilliger für das deutsche Ostasiatische Expeditionskorps gemeldet. In den Jahren 1900/1901 war er vorwiegend in der Region um die Städte Tianjin und Peking (Beijing) stationiert, wo in zahlreichen „Strafexpeditionen“ der westlichen Großmächte und Japans mit äußerster Brutalität gegen die chinesische Bevölkerung vorgegangen wurde.

Der 1876 in Köln geborene Max Dziobek kam im Januar 1904 mit dem Marine-Expeditionskorps in die damalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika; dort nahm er am Vernichtungskrieg gegen die Herero teil, fiel aber nur wenige Wochen nach seiner Ankunft im Gefecht bei Owikokorero.3

Dass sehr viel mehr Kölner in der „Truppe“ tätig waren, bezeugen die schon im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gegründeten Kolonialkriegervereine, deren reges Vereinsleben sich noch bis mindestens in die 1930er Jahren verfolgen lässt.



Postkarte von der Weihnachtsfeier des Veteranenvereins „Südwest-Afrikaner Köln“

(© Sammlung Bechhaus-Gerst)

Der 1902 gegründete Verein ehemaliger China-Krieger, Ostasiaten und Afrikakämpfer traf sich regelmäßig im Hotel Restaurant „Zum Salzrümpchen“ an der Rechtschule, und die Kolonial-Krieger-Kameradschaft 1908 (Südwestafrikanisch) versammelte sich wöchentlich im „Siechen am Dom“.4 Da nicht wenige ehemalige Kolonialkrieger Schwierigkeiten hatten, im zivilen Leben ihr Auskommen zu finden, oder kriegsversehrt waren, organisierte man Wohltätigkeitsabende, bei denen Geld zur Unterstützung der Kameraden gesammelt wurde. Anfang 1911 wurden – offenbar auf Geheiß Kaiser Wilhelms – Gedenktafeln für die in China und in Südwestafrika gefallenen deutschen Soldaten in den katholischen und evangelischen Militär- bzw. Garnisonskirchen (Minoritenkirche und St. Pantaleon) angebracht. Die Einweihungen der Tafeln fanden unter großer Anteilnahme aus Militärkreisen statt – beim protestantischen Gottesdienst sollen alleine 100 ehemalige „Chinakrieger“ anwesend gewesen sein.5 Veranstaltungen wie diese dienten vor allem der Selbstvergewisserung, Selbstreflexion scheint nicht auf der Tagesordnung gestanden zu haben. Beim katholischen Gottesdienst betonte der Divisionspfarrer Stollenwerk „die Pflichttreue, Tapferkeit und Ausdauer“ der beteiligten deutschen Soldaten.6 Der evangelische Divisionspfarrer Stuhlmann dankte den Gefallenen und mahnte gleichzeitig die noch lebenden und anwesenden Soldaten, „allzeit treu zu Kaiser und Reich ihre Pflichten gegen das Vaterland bis in den Tod zu erfüllen“.7

Die Fahnen der Kolonialkriegervereine waren wichtige Symbole der Zusammengehörigkeit und der gemeinsamen Erfahrungen. Die Erlaubnis zum Führen einer Fahne war an strenge Auflagen gebunden, und die Fahnenweihe stellte eine wichtige Zeremonie dar, bei der im Rahmen eines so genannten Prologs ein weihevoller Text verlesen wurde, der an die Kriegszeiten erinnerte. Ende Juli 1914 berichtet der Kölner Local-Anzeiger, dass die dem Verein ehemaliger Chinakrieger und Ostasiaten „Allerhöchst genehmigte Fahne“ bei der Firma Leonhard Tietz an der Hohestraße ausgestellt sei. Die Fahne sei in der Thüringer Fahnenfabrik von Christian Heinrich Arnold hergestellt worden und mache „der Firma alle Ehre“.8 Geweiht werden sollte die Fahne am 2. August im Rahmen eines Militärkonzerts im Volksgarten.9 Da aber am 1. August mit der Kriegserklärung des Deutsche Reichs an das russische Zarenreich ein schnell eskalierender Krieg begonnen hatte, fiel die Fahnenweihe aus. Erst 13 Jahre später, Anfang September 1927, wurde diese im Rahmen des 25-jährigen Stiftungsfestes des Vereins ehemaliger Chinakrieger und Ostasiaten schließlich nachgeholt.10 Die Fahne, die heute im Kölnischen Stadtmuseum aufbewahrt wird, zeigt auf der Vorderseite auf gelber Seide einen deutschen Reichsadler, der den chinesischen Drachen besiegt, und auf der Rückseite auf blauem Samt den deutschen Reichsadler.

Im 1922 gegründeten Deutschen Kolonialkrieger-Bund, dem Dachverband für koloniale Veteranenvereinigungen, waren auch drei Kölner Vereine als Mitglieder verzeichnet: der Klub ehemaliger Südwestafrikaner, der Klub ehemaliger Ostasiaten und der Kölner Kolonialklub.11 Diese Vereine scheinen nicht auf ehemalige Kolonialkrieger beschränkt gewesen zu sein, sondern jedweden Rückkehrern aus den ehemaligen Kolonien offen gestanden zu haben.

Das ab Januar 1928 regelmäßig erscheinende Vereinsorgan des Deutschen Kolonialkrieger-Bunds, die „Kolonial-Post“, berichtete regelmäßig über Zusammenkünfte der Mitglieder der verschiedenen Vereine, durch die die Erinnerung an eine vermeintlich ruhmreiche Zeit wachgehalten wurde. Durch die Kolonial-Post erfahren wir auch die Namen weiterer ehemaliger Kölner Kolonialsoldaten und -offiziere. So ist zum Beispiel 1938 Jean Brungs als Kameradschaftsführer bei der „Kameradschaft 08“ verzeichnet. Brungs trat 1901 beim II. Seebataillon in Wilhelmshaven ein, mit dem er in „Tsingtau“ (Qingdao) an der Niederschlagung des so genannten „Boxer-Aufstands“ beteiligt war. Dann kam er zur „Schutztruppe“ für Deutsch-Südwest und kämpfte im Herero- und Nama-Krieg. Da die Kolonial-Post ihn 1941 zum 60. Geburtstag ehrt, war er zum Zeitpunkt seines Einsatzes in den Kolonien gerade 20 Jahre alt.12 Ein „Kameradschaftsführer Bock“ leitete die „sehr gut besucht[e]“ Generalversammlung der Chinakrieger und Afrikakämpfer am 2. Januar 1938.13 Wie viele Kölner in dieser Zeit den Kolonialkriegervereinen angehörten und somit in den ehemaligen Kolonien gekämpft hatten, ist nicht belegt; allerdings geben auch hier die „Mitteilungen aus den Kameradschaften“ in der Kolonial-Post Hinweise. So war die „Kameradschaft 08“ mit 66 „uniformierten Kameraden“ auf der Reichskolonial-Tagung 1938 in Bremen vertreten. Am Jahreshauptappell im Januar 1941 nahmen 56 ehemalige Kolonialkrieger teil, 33 Kameraden hatten sich entschuldigt.14 Bei der Eröffnung der Deutschen Kolonialausstellung am 1. Juli 1934 in der Kölner Messe warfen sich in die ehemaligen Kolonialsoldaten in größerer Zahl in die alte „Südwester-Uniform“.

Aufnahme von der Eröffnung der „Deutschen Kolonialausstellung“ in Köln am 1. Juli 1934 unter großer Beteiligung ehemaliger Kolonialkrieger. Deutlich zu erkennen ist die weiter oben abgebildete Fahne.

Bei Gedenkveranstaltungen – so am 2. Juni 1935 auf dem Kölner Melatenfriedhof – holte man die „Peters-Flagge“ hervor und ein „Kameradschaftsführer Schütte“ erinnerte an die Eroberung von „Tsingtau“.15 Am 27. und 28. September 1936 fand der Westdeutsche Tag der Kolonialsoldaten in Köln statt, ein Großereignis, zu dem gar „Frau Carl Peters“ anreiste und im Rathaus empfangen wurde.16 Nach einer Großkundgebung auf dem Neumarkt zogen die ehemaligen Kolonialkrieger über die Ringe gen Norden, um sich schließlich am Vorplatz des Zoo-Restaurants aufzulösen. In der Königin-Luise-Schule fanden zahlreiche Tagungen und Verbandstreffen statt.

Mit dem nahen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Bestrebungen, die verlorenen Kolonien zurückzugewinnen, aufgegeben. Die kolonialen Institutionen und Vereine wurden aufgelöst. 10 Jahre nach Kriegsende, 1956 kam es aber zu Gründung des Traditionsverbands ehemaliger Schutz- und Überseetruppen, der in der Nachfolge des Kolonialkrieger-Bundes steht und heute noch existiert. Wurden zunächst ausschließlich ehemalige Kolonialkrieger als Mitglieder akzeptiert, so bestehen – da diese inzwischen alle verstorben waren – solche Beschränkungen seit Jahren nicht mehr.

Kritik an deutschen Kolonialismus und der damit verbundenen Gewalt bis hin zum Völkermord liegt den Mitgliedern bis heute fern. Die Kolonialgeschichte wird apologetisch verherrlicht, und die Kolonialverbrechen werden verharmlost oder geleugnet.17

1 Stadt-Anzeiger der Kölnischen Zeitung vom 12.08.1904.
2 Vgl. Malanda, Azziza-Belinda: „Mit Gott für Kaiser und Reich“ – Ein Kölner Soldat in China, in: Bechhaus-Gerst, Marianne & Horstmann, Anne-Kathrin (Hg.): Köln und der deutsche Kolonialismus. Eine Spurensuche, Köln 2013, S. 189-194.
3 O.V. 1904-1907. Lebensdaten der auf dem Ehrenfelde D.-Südwestafrikas gebliebenen Offiziere. Trier a.d. Mosel 1907. S. 40.
4 Siehe die verschiedenen Jahrgänge der Kolonial-Post, des Vereinsorgans des Deutschen Kolonialkrieger-Bunds.
5 Kölner Local-Anzeiger 26, 26.01.1911 und 46, 15.2.1911.
6 Kölner Local-Anzeiger 46, 15.2.1911.
7 Kölner Local-Anzeiger 23, 23, Januar 1911. Die Tafel enthielt die Namen von 2 in China und 13 in Afrika Gefallenen evangelischen Glaubens.
8 Kölner Local-Anzeiger 206, 28.07.1914.
9 Kölner Local-Anzeiger 206, 28.07.1914.
10 Bundesarchiv (BArch) Bestand Kolonialkriegerbund 1001/9803, Bl. 55 u. 74. Zur Bedeutung der Fahnen siehe Kuß, Susanne: Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 2010, S. 401ff.
11 Siehe z.B. BArch Bestand Kolonialkriegerbund, R 1001/9803 und 9804.
12 Kolonial-Post 12, 1941, S. 234.
13 Kolonial-Post 1, 1938, S. 20.
14 Weitere Namen von Kölner Kolonial-Kriegern nach den Geburtstagslisten der Kolonial-Post sind: Gustav Trautmann, Joh. Groppe, Paul Koenig, Paulo Wiehager, Franz Zörner, Ludwig Gleim, Josef Schiefer, Heinrich Wilbers, Erich Neumann, Anton Bischof, Ph. Wurzel, Otto Zander, Adam Herzog, Paul Schmittmann, Paul Lauerfaß, Wilhelm Martin, Adolf Teich, Wilhelm Troike, Christian Wolff, J. Nauheimer, L. Metzger, Mathias Dresia (Gründer der Kameradschaft 1908), August Frei, Matthias Will, Hugo Schenkelberg, Walter Platz, M. Manternach, J. Wirig, Heinrich Rothe, E. Lorenz, Benno Hermann, Max Gogowsky, J. Nauheimer, Arth. Burk, J. Gräfe, Martin Schölzgen, K. Müller, Engelbert Berg, Heinrich Stark, Karl Bürster, Gustav Muhlack, Anton Weber, Emil Grimm, Leonhard Itzstein, Ferd. Kuß, Mich. Ortmanns, Peter Melles, Josef Keppler, Walter Kleemann, Paul Duchéne, Herm. Syré, Paul Sasse, Anton Hilger, Heinrich Wilkes, Walter Kettniß, Clemens Koch, Kessing, Albert Burtzki, Karl Kiefer, Heinrich Meyer, Julius Gruhn, Heinrich Meyer, Emil Meier, Franz Jansen, Theo Schulz, Joh. Broichhagen,, P. Hoffmann, J. Werner, Sandhövel, Wilh. Pelzing, Gottlieb Raichle, Willi Heitmann, Hermann Pabst, Emil Wolff, Jakob Geus, Ferd. Hermanns, Sebastian Behr, Heinrich Eisenhut, Mupp, Gustav Eichmann, Reinhold Schneiders.
15 Westdeutscher Beobachter 3.6.1935, Morgenausgabe.
16 Zum Westdeutschen Tag der Kolonialsoldaten siehe Kölner Stadt-Anzeiger/Kölnische Zeitung Quer durch Köln, 26.9.1936 Morgenblatt Nr. 490, Abendblatt Nr. 491; 28.9.1936 Morgenblatt Nr. 493.
17 Siehe u.a. die Web-Präsenz des Traditionsverbands www.traditionsverband.de.

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Letzte Aktualisierung am: 04.11.2023