Köln Postkolonial

Die Themen:

Die (koloniale) Begegnung

Elo Sambo – Soldat und Musiker

Marianne Bechhaus-Gerst

Spätestens seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert gab es Menschen afrikanischer Herkunft im deutschsprachigen Raum. Sie kamen zunächst über den transatlantischen Versklavungshandels teils auf direktem Wege vom afrikanischen Kontinent, teils auf Umwegen über andere europäische Länder oder die Amerikas.1 In den meisten Fällen handelte es sich also um Zwangsmigration oder Verschleppung, die Afrikanerinnen und Afrikaner – nicht selten schon im Kindesalter – nach Deutschland brachten. Von Beginn an galten afrikanische Militärmusiker als Statussymbol an europäischen Herrscherhäusern. Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, stellte ein komplettes afrikanisches Musikkorps auf, 1724 wurde für sie eine spezielle „Hoboistenschule“ in der Nähe des großen Militärwaisenhauses in Potsdam eingerichtet. Als „Janitscharen“ wurden die afrikanischen Musiker weit über Preußen hinaus bekannt.2

Einer der letzten dieser afrikanischen Musiker in preußischen Diensten war Wilhelm Elo Sambo aus Kamerun. Obwohl er zu seinen Lebzeiten offenbar einen gewissen Bekanntheitsgrad genoss und seine vermeintliche Lebensgeschichte in verschiedenen eher populären Publikationen veröfentlicht wurde und gelegentlich noch wird3, erschließt sich seine Biografie nur sehr lückenhaft.4 Das große Interesse an seiner Person scheint meist mit seinem „Exotenstatus“ verbunden gewesen zu sein.

Geboren wurde Elo Sambo am 1. April 1885 in Yaoundé (deutsch: Jaunde), Kamerun, das damals gerade als „Deutsches Schutzgebiet“ angeeignet worden war.5 1891, also mit gerade sechs Jahren, soll ihn ein Rittmeister Stolzenburg als „Boy“ mit ins Deutsche Reich genommen haben. Über seinen familiären Hintergrund geben die wenigen Quellen keine Auskunft.

Als Patenkind des Kaisers erhielt er den zweiten Vornamen „Wilhelm“ und wurde angeblich im Militär-Waisenhaus in Potsdam erzogen.6 Dieses Waisenhaus war eine Erziehungs- und Ausbildungsstätte für Soldatenkinder und Militärwaisen. Die Kinder bekamen allgemeinen Schulunterricht, und die Jungen wurden zudem schon früh auf den Militärdienst vorbereitet.7

In Elo Sambos Fall vergingen allerdings 14 Jahre seit seiner Ankunft in Deutschland, bis er im Herbst 1905 als Freiwilliger für zwei Jahre in die 4. Kompanie des Eisenbahn-Regiments Nr. 1, das in Berlin stationiert war, eintrat. Zwei Jahre später versetzte man ihn zur Leib-Eskadron des Leib-Garde-Husaren-Regiments, wo er zum Kesselpauker ausgebildet wurde und schließlich den Rang eines Vizewachtmeisters bekleidete.8 Seine afrikanische Herkunft und damit seine Hautfarbe instrumentalisierte man insofern, als er auf einem Schimmel reitend und in einen roten Uniformrock gekleidet die deutschen Nationalfarben schwarz-weiß-rot visualisierte. Als Pauker ritt er dazu noch dem Trompeterkorps voran, wie zahlreiche erhaltene Bildpostkarten belegen.

Elo Sambo auf seinem Paukenschimmel
(© Sammlung Bechhaus-Gerst)

Über sein Privatleben in dieser Zeit ist nichts bekannt. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs kämpfte er zunächst von August 1914 bis Mai 1915 mit seinem Regiment an der Westfront in Frankreich, wo er leicht verwundet wurde.9 Wilhelm Elo Sambo war damit eine der wenigen Personen afrikanischer Herkunft, die auf europäischem Boden auf deutscher Seite kämpften. Im Gegensatz zu den anderen europäischen Kolonialmächten, wie England oder Frankreich, die in großer Anzahl Soldaten aus ihren Kolonien in Europa einsetzten, wollte das Deutsche Reich diesen Einsatz auf die Kolonien selbst beschränkt halten.

Nach seiner Genesung wurde er zunächst an die Ostfront verlegt, wurde erneut verwundet, kam dann in der 15. Osmanischen Armee zum Einsatz und geriet schließlich in der Türkei in Kriegsgefangenschaft. Wegen seiner Kriegseinsätze wurden ihm das Eiserne Kreuz und weitere Auszeichnungen verliehen.10 Im März 1919 kehrte er nach Deutschland zurück und diente bis 1923 wieder als Paukenschläger im Rang eines Wachtmeisters im 4. Reiter-Regiment in Potsdam.11

Nach 18 Dienstjahren wurde er entlassen und begann sein ziviles Leben als Fremdenführer in Potsdams Schlössern. Warum er die Entscheidung traf, dort wegzugehen, bleibt im Dunkeln. Ein ehemaliger Regimentskamerad, Albin Middendorf, besorgte ihm eine Anstellung in Münster, wo er als „Kaffee-Koch“ in Middendorfs Konditorei arbeitete.12 Mag die Verpflichtung Sambos auf der einen Seite ein Akt der Freundlichkeit aufseiten des ehemaligen Kameraden gewesen sein, so war er auf der anderen Seite nicht der erste Unternehmer, der einen Afrikaner als „Kaffee-Koch“ einstellte und das „exotische“ Produkt Kaffee von einem Afrikaner zubereiten und servieren ließ. Eine solche Verbindung hatte sich als durchaus werbeträchtig und damit verkaufsfördernd erwiesen. Während seiner Zeit in Münster malte der Künstler Fritz Grotemeyer Elo Sambo in Öl hoch zu Ross, wie er in vollem Galopp die Trommeln schlägt. Offenbar war Prinz Eitel Friedrich von Preußen, Sohn Wilhelms II., ein persönlicher Freund von Albin Middendorf und wiederholt in Münster zu Gast.13

Warum er auch Münster wieder verließ und nach Köln ging, bleibt ebenfalls ungeklärt. Vielleicht wurde ihm die Möglichkeit geboten, seiner Ausbildung entsprechend als Musiker zu arbeiten. Elo Sambo lebte ab dem Ende der 1920er-Jahre in der Kölner Südstadt, zunächst in der Burgunderstraße, dann Am Duffesbach; und seine Berufsbezeichnung in den Adressbüchern lautete Musiker.14 Er trat bei zahlreichen Kameradschaftsfeiern und Konzerten in Uniform in Erscheinung und schlug im Musikkorps des Garde-Vereins die Kesselpauke. Auch in der Kapelle des zu seiner Zeit bekannten Hermann Schmidt, seit 1922 u.a. Kapellmeister der Roten Funken, spielte Elo Sambo mit, etwa beim Schützenfest in Neuss.15 Im Sommer 1932 trat er mit Schmidts Kapelle in Amsterdam auf.16 Den Blauen Funken ritt er im Rosenmontagszug voran, zuletzt 1933, nur wenige Wochen nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten.

Wilhelm Elo Sambo mit dem Musikkorps des Garde-Vereins
(© Sammlung Bechhaus-Gerst)

Wilhelm Elo Sambo starb am 12. Juli 1933 mit nur 48 Jahren im Augusta-Hospital. Eine Todesursache wurde auf seiner Sterbeurkunde nicht vermerkt. Dafür wurde mit viel Pathos über seine Beerdigung auf dem Südfriedhof berichtet. Seine rheinischen Kameraden aus dem Leib-Garde-Husaren-Regiment, dem Garde-Vereins Köln sowie der SS, dem Stahlhelm und der Hitlerjugend hätten ihm die letzte Ehre erwiesen, und ein großer Kranz des Kaisers habe sich auf sein Grab gesenkt.17

Was er selbst über sein Leben in Deutschland und seine Erfahrung in der Fremde dachte, bleibt uns, wie Vieles aus seinem Leben, verschlossen. Fast nur in Nebensätzen ist zu erfahren, dass seine eigenen Wünsche und Träume nur selten auf Gehör stießen. So hatte er offenbar 1932 darum gebeten, sein altes Paukenpferd Otto auf eigene Kosten pflegen zu dürfen. Dieser Wunsch wurde ihm aus unbekannten Gründen verweigert. Angeblich sei es sein größter Wunsch gewesen, seine Heimat Kamerun wiederzusehen, aus der er als Kind verschleppt worden war.18 Ob dies aus finanziellen Gründen scheiterte oder weil die Formalitäten für eine Rückreise nach dem Verlust der Kolonie Kamerun an England und Frankreich unüberwindbar erschienen – auch das bleiben offene Fragen zu einer afrikanischen Lebensgeschichte in Deutschland.

 

1 Siehe die ausführliche Studie von Anne Kuhlmann-Smirnov: Schwarze Europäer im Alten Reich. Handel, Migration, Hof. Göttingen 2013.
2 Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Bewusstsein und Geschichte der Deutschen. Hamburg 1993, S. 123ff. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Elitetruppe der Armee im Osmanischen Reich.
3 So zuletzt unter https://yeswe.koeln/koelns-erster-schwarzer-das-tragische-schicksal-von-elo-wilhelm/ im September 2022.
4 Ich danke den Archivaren der Blauen Funken für den freundlichen Empfang und die Zurverfügungstellung des im Archiv vorhandenen Materials zu Wilhelm Elo Sambo.
5 Siehe z.B. https://www.der-chronist.de/husaren.html (20.1.2011); Fritz Plumhoff, Elo Wilhelm Sambo, der letzte Kesselpauker des Leib-Garde-Husaren-Regiments, Internationales Militaria-Magazin Nr. 76, März/Juni 1904: 3-5.
6 Klaus Schlegel, Köln und seine preußischen Soldaten. Die Geschichte der Garnison und Festung Köln von 1814 bis 1914. Köln 1979, S. 155ff.;
7 Zur Geschichte des „Großen Militär-Waisenhaus zu Potsdam“ siehe https://stiftungwaisenhaus.de/wp-content/uploads/Historischer-Abriss-Stiftung-Grosses-Waisenhaus-zu-Potsdam.pdf (14.08.2023).
8 Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren. S. 128.
9 Verlust-Liste Nr 0082 (07 Okt 1914).
10 Kölnische Zeitung 382/383, 17.7.1933.
11 Plumhoff, Elo Wilhelm Sambo, S. 4.
12 Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren. S. 128.
13 https://www.wn.de/muenster/museum-aus-dresden-kauft-portrait-von-el-sambo-2027453 (15.08.2023). Das Bild befindet sich jetzt im Besitz des Militärhistorischen Museums in Dresden.
14 Eine Postkarte aus Köln, die seine Unterschrift trägt stammt von Dezember 1928, siehe http://www.ub.uni-koeln.de/cdm4/document.php?CISOROOT=/kolonial&CISOPTR=903&REC=2
15 Kölnische Zeitung 475/476, 31.8.1932.
16 Stadsarchief Amsterdam, Bevolkingsregister tijdelijk verblijf, archiefnummer 5007, inventarisnummer 262, Gemeente: Amsterdam, Periode: 1931-1934.
17 Plumhoff, Elo Wilhelm Sambo, S. 5.; Kölnische Zeitung 382/383, 17.7.1933.
18 Plumhoff, Elo Wilhelm Sambo, S. 4-5.

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Letzte Aktualisierung am: 22.08.2023