Köln Postkolonial

Die Themen:

Orte

„Hotel im Römer“ und „Hansahaus“ – zentrale Orte der kolonialen Stadtgeschichte Kölns

Tobias Schnell

„Unter Goldschmied 48“ – dort befand sich zur Kaiserzeit die wichtigste Adresse kolonialer (Vereins­)Aktivität in Köln: der „Römer“. In der gutbürgerlichen Gaststätte im Zentrum der Kölner Altstadt gingen ab Oktober 1888 Kölner BürgerInnen mit Interesse am deutschen Kolonialismus ein und aus.

Bis zum Herbst dieses Jahres hatte es in Köln keine regelmäßigen Kolonialaktivitäten gegeben; dies änderte sich mit der Gründung einer lokalen Abteilung der einflussreichen Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG). 1 Der Gründung ging eine Kampagne in den Kölner Tageszeitungen voraus – zu diesem Zeitpunkt gab es zwar bereits etwa 100 Mitglieder des Dachverbandes der DKG in Köln; allerdings hatten sie bis dahin nicht zu einer eigenen Abteilung zusammengefunden. National-konservativ geprägte Zeitungen griffen die reichsweit vorherrschende prokoloniale Atmosphäre auf, um die Kölner für ein koloniales Engagement zu begeistern. So führte man das damals noch eigenständige Mülheim mit seiner DKG-Lokalabteilung als Vorbild an und verwies auf ihre Erfolge in der Vereinsarbeit. Die angesehene Kölnische Zeitung (KöZ) konnte in ihrer Ausgabe vom 17. Oktober 1888 „einen lebhaften Aufschwung“ der Kolonialgesellschaft in Köln erkennen und berief sich dabei auf das „gute Beispiel unserer kleinen Nachbarstadt“ [gemeint war Köln-Mülheim], das „nun auch die Kölner Mitglieder der Deutschen Colonialgesellschaft angeregt zu haben2 scheint. Nicht nur die KöZ vertrat die Ansicht, dass eine mitgliederstarke lokale Abteilung einen direkten Einfluss auf die deutsche Kolonialpolitik nehmen würde.

 
Abb. 1: Der Römer auf einer zeitgenössischen Postkarte (Sammlung KopfWelten e.V.)

Im „Oberen Gesellschaftssal“ des „Römer“ fanden sich am Abend des 19. Oktober 1888 zahlreiche BürgerInnen unterschiedlichster sozialer Herkunft ein, um die Gründung der DKG-Unterabteilung zu vollziehen. Unterlegt mit reichlich Pathos erfährt man von der Bedeutung des Abends für die koloniale (Vereins­)Aktivität in Köln in einer Ausgabe der KöZ, die zwei Tage nach der Versammlung erschien:

In allen andern Kreisen der Nation haben die Nachrichten über die Wirrnisse in Ostafrica in erster Linie die Ueberzeugung geweckt, daß es eine vaterländische Pflicht ist, unsere nationale Ehre zu wahren und die hoffnungsvoll begonnene Culturarbeit zu sichern. Von diesem Bewußtsein zeugte die vorgestern vollzogene Gründung der Abteilung Köln der Deutschen Colonial-Gesellschaft, eine Frucht der Thätigkeit, welche ein kleiner Kreis von Herren der verschiedensten Lebensstellungen und Parteirichtungen in den letzten Wochen hier entfaltet hat. Die Versammlung war so stark besucht, daß der geräumige obere Saal des Römer die Erscheinenden, unter denen sich viele höhere Officiere und Beamte befanden, nicht alle zu fassen vermochte.3

Oder noch im selben Artikel:

Unsere deutsche Colonialbewegung ist in ein neues, eigenartiges Stadium der Entwicklung getreten.

Den ersten kolonialpolitischen Vortrag im „Römer“ hielt nach vollzogener Gründung der Generalsekretär der „Deutsch-Ostafrikanischen-Gesellschaft“ Dr. Timotheus Fabri. Gerade in den Gesellschaftsräumen des „Römer“ sollten in den folgenden Jahren noch dutzende Vorträge kolonialpolitischen Inhalts stattfinden, wobei nicht selten das räumliche Fassungsvermögen des Saals auf die Probe gestellt wurde4.

Der „Römer“ diente nicht nur als Gründungsort der DKG-Abteilung Köln, sondern auch als klassisches Vereinslokal. Die Vorträge waren fester Programmpunkt der wöchentlich abgehaltenen „Herrenabende“,5 auf denen Formalia und Organisatorisches der Vereinsarbeit besprochen wurden, Aktuelles aus der deutschen Kolonialpolitik diskutiert und sich in ungezwungenem Rahmen bei einem Kölsch ausgetauscht werden konnte. Im „Römer“ befand sich zudem die gut ausgestattete Bibliothek der Abteilung mit umfassendem Kartenmaterial und kolonialem Buchbestand, die auch von Nicht-Mitgliedern und Gästen der Abteilung benutzt werden konnte.6 Gerade das Zusammentreffen von DKG-Mitgliedern und Mitgliedern anderer (Kolonial-)Vereine der Stadt wurde vom DKG-Dachverband gefördert, sollten doch koloniale Inhalte im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung verankert werden7. Nicht zuletzt fanden im „Römer“ zahlreiche Ausstellungen zu kolonialen Themen statt. Durch die Funktion als Zentrum organisierter Kolonialaktivität in Köln und die Bedeutung als Begegnungsstätte kolonial interessierter BürgerInnen gehörte der „Römer“ zu den wichtigsten Adressen in der kolonialen Topographie Kölns.

Das Gebäude selbst teilte sich in zwei Etagen auf – im oberen Stockwerk befanden sich der erwähnte „Gesellschaftssaal“, in den man sich zu Vortragsveranstaltungen und zu den „Herrenabenden“ zurückzog, die Bibliothek und Ausstellungsräume, während in der unteren Etage eine öffentliche Schankwirtschaft zu finden war. Das Haus, das während der DKG-Vereinstätigkeit häufiger den Eigentümer wechselte, ist – wie der größte Teil der Kölner Altstadt – im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges völlig zerstört worden. Heute befindet sich ein großes, modernes Gebäude an dieser Stelle, das allerdings nicht die genaue Lage des „Römer“ markiert, da es sich über mehrere alte Grundstücksgrenzen hinweg erstreckt. Im Augenblick ist ein großes Hotel in dem Gebäude untergebracht.

Ein Auszug aus einem Architekturführer aus dem Jahre 1888 vermittelt einen lebhaften Eindruck von der gemütlichen Beschaffenheit der Gaststätte:

Die Bierwirthschaft „Im Römer“ Unter Goldschmied wurde vor zwei Jahren [ergo 1886] durch Umbau eines alten Hauses gewonnen; sie besitzt einen freundlichen Wirthschaftsgarten und hübsche alte Stuckdecken. Unter dem Gebäude ist in ziemlicher Tiefe ein alter Tunnel (Canal) aus der Römerzeit zugänglich, welcher sich unter der Budengasse erstreckt.8

Der Eingang zu dem Tunnel aus der Römerzeit ist noch heute zu erkennen – als kleiner gemauerter Torbogen in der „Budengasse“ Ecke „Unter Goldschmied“.

 

Die Fäden der kolonialen Bewegung in Köln liefen dagegen im „Hansahaus“ am Friesenplatz 16 zusammen. Hier war die Geschäftsstelle der Kölner Abteilung der DKG untergebracht, die sich nicht nur mit inhaltlichen Fragen zur Kolonialpolitik befasste, sondern auch für die bürokratische Organisation und reibungslose Durchführung der Veranstaltungen verantwortlich war.9

Auch für private Belange hatte man in der Geschäftsstelle ein offenes Ohr. Als einem Festbesucher am Rande der DKG-Vorstandssitzung 1913 nicht sein komplettes Wechselgeld zurückerstattet worden war und die Abteilungsleitung davon erfuhr, konnte sie ihm durch eine Notiz in der DKZ unverzüglich helfen.

Bei der Vorstandsitzung in Köln am 28. November [1913] hat nach dem Frühstück ein Herr beim Ankauf von Postkarten pp. am Eingang des Saales sein Wechselgeld nicht vollständig zurückerhalten. Der betr. Herr wolle sich unter Angabe des genauen Betrages an die Geschäftsstelle der Abteilung Köln, Friesenplatz 16 wenden, wo der Betrag zur Verfügung steht.10

Das Ansehen der kolonialen Bewegung und ihrer Arbeit durfte keinen Schaden nehmen. Die Geschäftsstelle war die Schaltzentrale der Kölner DKG-Abteilung. Im Jahr 1906 richtete die Abteilung hier nach Berliner Vorbild auch eine „Zweigauskunftsstelle für Auswanderer“ ein, die wochentags für jeden offen stand, der an einer Auswanderung – auch in die Kolonien – interessiert war.11 Dem Auswanderungsbüro stand Postrat Pfitzner vor, der für die Lokalabteilung im „Römer“ des Öfteren Vorträge zu kolonialen Themen hielt. 12

Neben den zahlreichen Vorträgen, die im „Römer“ gehalten wurden, gab es in Köln auch mehrere koloniale Veranstaltungen, die an Organisation und Aufwand weit über das Maß der regelmäßigen Sitzungen im „Römer“ hinausgingen. Sie waren die Glanzpunkte der Kolonialbewegung und rückten den deutschen Kolonialismus aus der vermeintlichen Nische der „Herrenabende“ und Vereinslokale heraus in die Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit. So wurden sie bereits mehrere Tage (und auch mitunter Wochen) in den Kölner Tageszeitungen angekündigt, noch Tage nach der Veranstaltungen besprochen, an Orten in Szene gesetzt, die ohnehin ein gewisses Renommee besaßen, wie die Flora, das Zivilkasino, die Oper, die Räumlichkeiten der Lese- und Bürgergesellschaft und der Gürzenich. Tausende von Besuchern kamen zu diesen Veranstaltungen,13 die sich regelmäßig über zwei oder drei Tage erstreckten. Man war bemüht, stets bekannte und hochrangige Gäste begrüßen zu können, um den propagandistischen Erfolg zu verstärken. Schließlich ging es darum, eine prokoloniale Haltung innerhalb der breiten Bevölkerung zu fördern. Zu den bedeutendsten Veranstaltung gehörten die beiden „Antisklaverei-Versammlungen“ von 1888 und 1889 im voll besetzten Kölner Gürzenich, die DKG-Hauptversammlung mit einem pompösen Abschlussfest in der Flora im Sommer 1890, der Wissmann-Kommers im selben Jahr, die Gravenreuth-Feier 1891, die von 1500 Personen besucht wurde, der Besuch des DKG-Präsidenten Johann Albrecht zu Mecklenburg mit Fest in der Flora im Juni 1902 und die Feier zum 25jährigen Bestehen der DKG-Lokalabteilung 1913. Die Organisation dieser Großveranstaltungen lief über die Geschäftsstelle der DKG im Hansahaus, von wo aus Mitarbeiter die Korrespondenz mit der Hauptabteilung in Berlin abwickeln konnten, die sich häufig in die Inszenierung der Veranstaltungen einschaltete.

Auch das „Hansahaus“ besteht heute nicht mehr in seinem Originalzustand. An der Adresse „Friesenplatz 16“ befindet sich mittlerweile ein Hochhaus, das zum größten Teil als Wohn- und Bürogebäude genutzt wird. Im Erdgeschoss ist aktuell eine Filiale einer Sportfachgeschäftskette ansässig.

 

1 Die Lokalabteilung Köln der DKG wurde am 19. Oktober 1888 feierlich gegründet. (vgl. Deutsche Kolonialzeitung (DKZ), 1. (5.) Jg. 1888: 347.
2 KZ, Nr. 289, am 17. Oktober 1888.
3 KZ, Nr. 293, am 21. Oktober 1888.
4 Ein Vortrag Pater Ackers beispielsweise zog am 8. März 1907 über 400 Besucher in die Räumlichkeite des „Römer“ (vgl. DKZ, 20. (24.) Jg. 1907: 112).
5 DKZ, 1. (5.) Jg. 1888: 392. Ebd. : 347.
6 DKZ, 2. (6.) Jg. 1889: 79; diese Bestände befinden sich heute in der Kölner Universitätsbibliothek.
7 In der Satzung des „Deutschen Kolonialvereins“, der Vorgängerorganisation der DKG, heißt es über die Ziele der Vereine: Der deutsche Kolonialverein hat sich die Aufgabe gestellt, das Verständnis der Notwendigkeit, die nationale Arbeit dem Gebiete der Kolonisation zuzuwenden, in immer weitere Kreise zu tragen, für die darauf gerichteten in unserem Vaterlande bisher getrennt auftretenden Bestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden und eine praktische Lösung der Kolonialfrage anzubahnen (vgl. DKZ, 2. Jg. 1885: 193).
8 Köln und seine Bauten. Festschrift zur VIII. Wandersammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. 1888. Hrsg. Architekten- und Ingenieur-Verein für Niederrhein und Westfalen. Selbstverlag des Vereins. Köln. (S. 617f)
9 DKZ, 26. (30.) Jg. 1913: 835.
10 Ebd.: 835.
11 DKZ, 19. (23.) Jg. 1906: 400.
12 So etwa am 6. Dezember 1911 über seine Reise nach Monrovia. (DKZ, 24. (28.) Jg. 1911: 886).
13 Wie etwa die Berichterstattung des Kölner Tagblatts über die „1. Antisklaverei-Versammlung 1888“ zeigt: In zündenden Worten brachte dann der Vorsitzende [Langen] ein Hoch au fKaiser Wilhelm und schloß dann die Versammlung, die von 2- bis 3000 Personen besucht gewesen. KT, Nr. 251, 25. Jg., am 29. Oktober 1888.

zur Navigation

Über diese Webseite:

Letzte Aktualisierung am: 05.11.2009