Köln Postkolonial

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Robert-Koch-Straße1

Marianne Bechhaus-Gerst

Heinrich Hermann Robert Koch
Heinrich Hermann Robert Koch

Benannt nach Heinrich Hermann Robert Koch
Geboren: * 11. Dezember 1843 in Clausthal
Gestorben: † 27. Mai 1910 in Baden-Baden

Köln hat zwei nach Robert Koch benannte Straßen. In Köln-Lindenthal erfolgte die Benennung noch zu Lebzeiten Kochs am 23.12.1908. Am 2.9.1968 wurde in Köln-Pesch eine weitere Straße nach dem Mediziner benannt.

Die Mensa Robert-Koch-Straße der Universität Köln wurde auf Initiative von Studierenden im Jahr 2021 in Mensa Lindenthal umbenannt.

Der Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch gilt als Begründer der modernen Bakteriologie, der klinischen Infektiologie und der so genannten „Tropen­medizin“. 1905 wurde ihm für seine Leistungen der Nobelpreis für Medizin verliehen.2 Bekannt wurde er vor allem als Entdecker eines Bakteriums als Erreger der Tuberkulose, einer im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Krankheit. 1883 beschrieb er darüber hinaus den Cholera- Erreger, den er wegen seiner Form als „Kommabazillus“ bezeichnete. Er isolierte Bacillus anthracis, der den Milzbrand hervorruft. Koch scheiterte jedoch bei dem Versuch, ein Medikament oder einen Impfstoff gegen die Tuberkulose zu entwickeln. Wie Christoph Gradmann in seiner Habilitationsschrift zu Robert Koch zeigt, täuschte der Mediziner Patient*innen und Kollegen willentlich über die vermeintliche Wirksamkeit des Tuberkulin genannten Medika­ments. Patent*innen starben oder litten unter schweren Nebenwirkungen. Koch konnte den Nachweis, welcher Bestandteil für die angebliche Wirkung des Mittels verantwortlich sein sollte, nicht erbringen.3

Ab 1883 unternahm Koch zahlreiche Reisen in britische, niederländische und deutsche Kolonialgebiete, um dort verschiedene Tropen­krankheiten zu erforschen. In den 1880er Jahren war ein regelrechter Wettkampf unter europäischen Wissenschaftlern entbrannt, die erste Impfung oder das erste Medikament gegen eine der meist endemischen und häufig tödlich verlaufenden Tropenkrankheiten zu entwickeln. Die Kolonien erschienen den meisten Forschern als „Laboratorien der Moderne“, in denen man auch am Menschen uneingeschränkt forschen und experimentieren konnte. Koch reiste 1883-1884 nach Ägypten und Indien (Erforschung der Cholera), 1896-1897 nach Südafrika (Erforschung der Rinderpest), 1897 nach Indien (Erforschung der Pest), 1897-1898 nach Ostafrika (Erforschung von Pest, Malaria, Texasfieber und Schlafkrankheit), 1899-1900 nach Batavia (Niederländisch-Indien) und Neu-Guinea (Erforschung der Malaria, Reise auf Anregung der Deutschen Kolonialgesellschaft im Auftrag des Auswärtigen Amts), 1903-1904 nach Britisch-Südafrika (Erforschung des Küstenfiebers) und schließlich 1904-1905 und 1906- 1907 nach Ostafrika (Forschung an Tsetse-Fliegen und Trypanosomen und Erforschung der Schlafkrankheit).4

Die Medizin spielte bei der Kolonialisierung Afrikas eine wichtige Rolle. Die Bekämpfung sogenannter Tropenkrankheiten war allen europäischen Kolonialmächten ein Anliegen, ging es doch nicht zuletzt um den Erhalt afrikanischer Arbeitskraft. Deshalb wollte Koch u.a. ein Mittel gegen die in Teilen Afrikas endemische menschliche Schlafkrankheit finden und reiste zu diesem Zweck im Auftrag der deutschen Kolonialverwaltung nach Ostafrika.5 Koch experimentierte mit verschiedenen Arsenpräparaten, wobei er sich schließlich auf das Mittel Atoxyl konzentrierte. Da Versuche mit Atoxyl am Menschen in Deutschland verboten waren, wich Koch – wie auch zahlreiche Kollegen in der deutschen, britischen und französischen Tropenmedizin – auf die Kolonien aus, um dort Menschenversuche ohne Einwilligung der einheimischen Probanden vorzunehmen. Da es in Ostafrika auf deutschem Gebiet nur wenige Fälle gab, verlegte er seine Studien 1905 auf die Sese-Inseln im Viktoria-See auf britisches Kolonialgebiet. Dort waren innerhalb weniger Jahre 20.000 Menschen – zwei Drittel der Inselbevölkerung – an der Schlafkrankheit gestorben.

Dass Atoxyl in hoher Dosierung giftig ist, war Koch bekannt. Kurzfristig besserten sich die Symptome unter der Therapie, längerfristig gelang es jedoch nicht, die Parasiten aus dem Blut zu beseitigen. Weil er auf einen Erfolg hoffte, steigerte Koch die verabreichten Dosen bis zu 1 Gramm, die in Abständen von sieben bis zehn Tagen gespritzt wurden. Die Behandlung war sehr schmerzhaft und rief Schwin­delgefühle, Übelkeit und Koliken hervor. Schließlich kam es zu irreversiblen Erblindungen und zu Todesfällen, und Koch sah sich gezwungen, die Dosen wieder zu senken. Zahlreiche Patient*innen – die von den deutschen Ärzten auf britischem Kolonialgebiet nicht zwangsinterniert werden konnten – flohen vor der Behandlung.

Um pro Tag rund 1000 Patienten untersuchen zu können, isolierte Koch vermeintlich Kranke in sogenannten Konzentrationslagern – einer Ansammlung von Strohhütten und einfachen Zelten, die bei Sturm umgeweht wurden. Es fehlte an allem: Decken, sauberem Wasser, zu essen gab es oft nur Mehl und Salz. Wie viele Menschen allein wegen dieser Zustände starben, ist unbekannt.

In seinen Empfehlungen zum Umgang mit an Schlafkrankheit Erkrankten erwog Koch, die ganze Bevölkerung verseuchter Bezirke umzusiedeln. „[D]ie infizierten Individuen würden dann, da die Sterblichkeit ohne Behandlung eine absolute sei, ausnahmslos zugrunde gehen, damit werde dann die Seuche erlöschen. Die Gesunden könne man nach einer gewissen Zeit – bis die Fliegen ihre Infektions­fähigkeit verloren hätten – wieder an ihren ursprünglichen Wohnsitz zurücklassen.“6 Er verwarf diese Maßnahme dann aber als unpraktikabel. Er schlug vor, in diesen Gegenden die Wälder abzuholzen, um den Überträger der Krankheit, die Tsetsefliege, zu bekämpfen. Weiter empfahl er, in verseuchten Orten Reihenuntersuchungen vorzunehmen, die Infizierten „herauszugreifen“ und in „Konzentrationslagern“ zu versammeln. „Da in den Konzentrationslagern eine genaue Beobachtung während längerer Zeit möglich sei, könne man hier am besten den empfehlenswerten Modus der Atoxylbehandlung ausfindig machen und beispielsweise auch eine etappenmäßige Therapie erproben“.7 Obwohl Atoxyl unwirksam und hochtoxisch war, hielt Koch an diesem Mittel fest.

Nach der Abreise Kochs wurden drei Schlafkrankheitslager mit über 1.200 Patienten eingerichtet, in Togo und Kamerun wurden fünf Lager errichtet. In den Lagern wurde mit verschiedenen chemischen Präparaten experimentiert. Heilerfolge gab es keine. An den veröffentlichten Statistiken fällt die extrem hohe Zahl in der Kategorie „Abgang“ auf – die Patienten hatten sich durch Flucht entzogen. In diesen Lagern wurden auch noch weitere Präparate wie Arsenophenylglycin und Arsphenamin, die aus dem Labor von Paul Ehrlich geliefert wurden, erprobt. Hierbei kam es zu weiteren Todesfällen. Nach einer Publikation in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift wurden solche Versuche vom Reichskolonialamt untersagt und nach 1911 wurden die meisten Lager und Stationen in Deutsch-Ostafrika aufgelöst.

Kochs Verdienste, seine wissenschaftlichen Leistungen, die Entdeckung und Bedeutung der Bakteriologie waren und sind ohne Zweifel groß. Das Robert Koch-Institut bezeichnet aber auf seiner Homepage Kochs Menschenversuche mit Atoxyl als das „wohl dunkelste Kapitel in der Karriere des Institutsgründers“.8

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden

  1. An Kochs Forschungen in den verschiedenen überseeischen Kolonialgebieten lässt sich seine Unterstützung des europäischen Kolonialismus nicht zuletzt zum eigenen Nutzen bzw. zur Förderung seiner wissenschaftlichen Karriere ablesen. Eng verbunden waren bei seinen überseeischen Aktivitäten darüber hinaus ärztliche, wissenschaftliche und ökonomische Interessen.
  2. Seine Menschenversuche in Ostafrika, die meist ohne Einwilligung der Probanden bzw. Aufklärung über die möglichen Folgen erfolgte, sowie die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Lagern müssen als Verbrechen im Kontext des Kolonialismus gewertet werden.
  3. Die Menschenversuche zeugen darüber hinaus von einem rassistischen Menschenbild, das ihn als im rassistischen Diskurs seiner Zeit fest verankerten kolonialen Täter ausweist. Die Interessen der einheimischen Bevölkerung spielten in seinen Plänen, z.B. für massive Umsiedelungen, keine Rolle
  4. Mehrere seiner „Expeditionen“ wurden von offizieller Seite aus nicht zuletzt kolonialökonomischen Interessen heraus finanziert.

 

1 Der Beitrag ist im Wesentlichen mit einem Gutachten der Verfasserin für das Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster identisch.
2 Kochs Lebenskauf siehe
Anon.: https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/Robert_Koch_ Lebenslauf.html [17.02.2023];
https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/robert_koch_node.html [17.02.2023];
Grüntzig, Johannes W. & Mehlhorn, Heinz: Robert Koch. Seuchenjäger und Nobelpreisträger, Heidelberg 2010.
3 Gradmann, Christoph: Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie. Göttingen 2005, S. 134-162.
4 https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/Robert_Koch_Lebenslauf.html [17.02.2023].
5 Zu den Versuchen in Ostafrika und deren Folgen siehe:
Eckart, Wolfgang U.: Medizin und Kolonialimperialismus, Deutschland 1884-1945, Paderborn 1997, S. 340-349;
Bauche, Manuela: Robert Koch, die Schlafkrankheit und Menschenexperimente im kolonialen Ostafrika,
https://www.freiburgpostkolonial. de/Seiten/robertkoch.htm [17.02.2023];
Kochs komplette Schriften (Briefe, Berichte, Aufsätze) zur Schlafkrankheit finden sich auf dem Server des RKI unter https://edoc.rki.de/
6 Sitzung des Reichsgesundheitsrates am 16. November 1907. Mitteilungen über den Verlauf und die Ergebnisse der vom Reiche zur Erforschung der Schlafkrankheit nach Ostafrika entsandten Expedition, in: Robert Koch (1912): Gesammelte Werke. Bd. 2 (2), S. 930-40, hier S. 935.
7 Ebd. S. 936.
8 https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/robert_koch_node.html [17.02.2023]

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Letzte Aktualisierung am: 28.07.2023