Köln Postkolonial

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Mohrenstraße

Sanata Nacro

Straßenschild Mohrenstraße

Die Kölner Mohrenstraße erzählt eine Geschichte, die bis in die ersten Jahre des vierten Jahrhunderts zurückreicht. Die Straße grenzt an das Gereonsviertel, das eines der ältesten Zeugnisse afrikanisch-deutscher Geschichte darstellt.

Im Laufe des 12. Jahrhunderts wurde die in diesem Viertel errichtete Kirche St. Gereon zu Köln Ort der Verehrung von Heiligen, die einigen Überlieferungen zufolge schwarz gewesen sein sollen. Den Ausgang für sämtliche Geschichten zu diesen Kölner „Lokalheiligen“, St. Mauritius, St. Gereon und Gregorius Maurus, bildet die Legende, die sich um eine Truppe thebäischer Legionäre rankt.

Nach einer der ältesten Fassungen dieser Legende stellte Maximian, der Mitkaiser Diokletians, in seinem Herrschaftsbereich Ägypten eine Legion zusammen, deren Soldaten zum großen Teil aus der römischen Provinz Theben1 stammten. Mit einem durch diese thebäische Legion verstärkten Heer zog er aus, um Aufstände in den gallischen und germanischen Provinzen niederzuschlagen. Sie erhielten den Befehl, Christen zu verfolgen (anderen Versionen zufolge sollten sie den heidnischen römischen Göttern huldigen). Dieser Anordnung verweigerten sich die christlich getauften Thebäer, worauf sie in Köln hingerichtet wurden. An der Spitze derer, die sich dem Befehl widersetzten und zum Widerstand motivierten, standen die Befehlshaber Gereon und Gregorius Maurus. Ihre Körper sollen, so wird berichtet, in einen Brunnen an der Heerstraße von Köln nach Venlo geworfen worden sein, über den dann die Kirche St. Gereon errichtet wurde.


Empfang des Hl. Erasmus durch den Hl. Mauritius, von Matthias Grünewald

Eine ähnliche Legende rankt sich um den Heiligen Mauritius, der als Anführer der Thebäischen Legion gegen Christen eingesetzt werden sollte. In Engnis bei Agaunum2 meuterte die Legion, und auf Befehl des Kaisers wurden Offiziere und Mannschaften hingerichtet. Mauritius starb demnach ebenfalls den Märtyrertod.

Nun streiten sich die Geister bezüglich des Wahrheitsgehalts dieser Legende, da sich weder die Existenz einer thebäischen Legion zu der Zeit nachweisen lässt noch fundierte Hinweise zu den einzelnen Märtyrern finden lassen. Dazu kommt, dass die Ikonographie der heiliggesprochenen Märtyrer selten eindeutige Rückschlüsse auf eine thebäische, also afrikanische Herkunft zulässt. Eine der seltenen Darstellungen, die Mauritius als Afrikaner zeigt, ist ein Standbild im Magdeburger Dom.

Einigen Theorien zufolge wurden sowohl St. Gereon als auch der heilige Mauritius erst mit dem Beginn der Kreuzzugsbewegungen im 11. Jahrhundert „afrikanisiert“. Dennoch können Mauritius und der Beiname Maurus des Gregorius etymologisch betrachtet leicht als Gattungsnamen verstanden werden, die ihre Träger als Afrikaner ausweisen oder, dem damals herrschenden Afrika-Bild entsprechend, als Mohren.

Das Interessante an der Faszination, die diese Legende offenkundig ausübte, sind die unterschiedlichen gedanklichen Konzepte, die sich darin widerspiegeln. Wie lässt sich die – ab dem 11. Jahrhundert verstärkt auftretende – Charakterisierung der Thebäer als Mohren erklären, obwohl das in der Legende gar nicht angelegt war?

Für den europäischen Betrachter der Kreuzzugszeit, der über Afrika fast keine Kenntnis besaß, war jeder Bewohner dieses Kontinents schwarz, was im Mittelhochdeutschen durch den Begriff „môr“ versprachlicht wurde. Die Menschen des 11. Jahrhunderts waren es zudem gewohnt, den Farben einen symbolischen Wert zuzuschreiben, und sahen sich somit dazu veranlasst, mit dem äußeren Erscheinungsbild des Afrikaners lang gehegte Vorstellungen von Aussehen und Wesen des Teufels zu verknüpfen. Dieses Bild änderte sich, als die Christenheit ihrem universellen Machtanspruch genüge getan hatte und in der Missionierung der „schwarzen Heiden“ erste Erfolge zu verbuchen hatte. Mit diesem Sendungsbewusstsein waren natürlich handfeste staatspolitische Interessen verknüpft, denen, im Zuge der aufkommenden Handelsbeziehungen, der Boden bereitet werden musste. So standen die „schwarzen“ Thebäer im Dienste eines christlichen-missionarischen Projekts, das den Afrikaner als „Verbündeten der Christenheit“ zu instrumentalisieren suchte, um die Segnungen abendländischer Kulturerrungenschaften zu dokumentieren.

Die Legende überdauerte die Jahrhunderte, bis sich 1844 der Kirchenvorstand von St. Gereon dafür einsetzte, die neu angelegte Verlängerung des Berlichs bis zur Gereonstraße, in Erinnerung an diese Legende, Maurenstraße zu nennen, was letztendlich in Mohrenstraße umgesetzt wurde.3

 

Literatur:

1 Hier ist die einstige Hauptstadt Oberägyptens gemeint, die heute die Orte Karnak und Luxor umfasst.
2 Bezeichnet heute die Gemeinde Saint-Maurice in der Schweiz.
3 O.V.: Straßennamen der Stadt Köln. In: Kölnische Zeitung, 3. Januar 1903

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Letzte Aktualisierung am: 27.03.2008