Köln Postkolonial

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Presse

NRhZ-online, 24.12.2008

Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum

Köln – einst die Kolonialmetropole des Westens

Völkerschautruppe des Nayo BrucePostkarte der Völkerschautruppe des Nayo (J. C.) Bruce.
Bruce machte sich früh von seinem deutschen Völkerschauunternehmer unabhängig und tourte mit seiner Truppe durch Europa. Mehrfach machte das Unternehmen Station in Köln. Im März 1903 wurden acht Mitglieder der Truppe im Kölner Dom getauft. Dabei stand jedem Täufling ein Kölner Pate zur Seite.
(Sammlung Bechhaus-Gerst)

Durch Betrug erwarb 1883 der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz Land an der später nach ihm benannten Bucht an der Küste des heutigen Namibia. Sie wurde Ausgangspunkt der blutigen Eroberung von „Deutsch-Südwest“. Noch heute heißen Straßen nach ihm, etwa in Berlin, Mannheim, Ludwigshafen oder Völklingen. In deren Nachbarschaft liegt oft eine Petersstraße oder -allee. Carl Peters war 1891 Reichskommissar in Deutsch-Ostafrika, sein brutaler Umgang mit der schwarzen Bevölkerung brachte ihm die Bezeichnung „Hänge-Peters“ ein. Er wurde unehrenhaft aus dem Reichsdienst entlassen. Kaiser Wilhelm II. und Adolf Hitler rehabilitierten ihn.

Auch im Kölner Stadtteil Nippes gab es ein „Afrika-Viertel“ mit diesen Straßennamen. Nach heftiger Diskussion und einer Aktion der Grünen wurden sie 1990 umbenannt. Dieser Vorgang ist Teil der Ausstellung „köln postkolonial“, die noch bis zum 21. Februar im Kölnischen Stadtmuseum läuft. Die 36 mit historischen Dokumenten illustrierten Texttafeln, zu 12 Themen gegliedert, sind in die Dauerausstellung integriert. So soll deutlich werden, dass koloniale Gedanken bis heute wirken - eine in diesem Umfang bundesweit einmalige lokale Bestandsaufnahme. Einige Tafeln erläutern grundsätzliche Aspekte, etwa die sklavenähnliche Ausbeutung der Afrikaner, die christliche Mission, die Unwissenschaftlichkeit der Rassentheorie, das Problem der politisch korrekten Bezeichnung. Etwas kurz kommt dabei der sinnliche Genuss, den eine Ausstellung auch bieten muss, ein paar Karnevalskostüme und Kolonialwarenladen-Nachahmung reichen nicht.

Oppenheim und Neven DuMont

1888 wurde die Kölner Abteilung der „Deutsche Kolonialgesellschaft“ gegründet, Zuckerfabrikant Eugen Langen war lange Vorsitzender, Mitglieder u.a. die Bankiersfamilie Oppenheim, die Gebrüder Stollenwerck oder Gummifabrikant Clouth. Für 100 Mark Jahresbeitrag war die Stadt seit 1905 Mitglied im „Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee“, das den Import von Rohstoffen wie Kautschuk, Baumwolle, Öl oder Kakao förderte. Kölner Firmen profitierten davon. Nachfolger existieren zum Teil heute noch wie die Motorenfabrik Deutz. Am bekanntesten ist sicher Schokoladenproduzent Stollwerck, dessen „Sarottimohr“ heute pc mit weißem Gesicht herumläuft. Wiederholte Völkerschauen, bei denen nackte Afrikaner begafft werden durften, sorgten für das Überlegenheitsgefühl der weißen Besucher.

Für die Ausstellungsmacher war Köln um diese Zeit die „Kolonialmetropole des Westens“. „Führendes Blatt“ der prokolonialen Bewegung war die Kölnische Zeitung, Vorläufer des heutigen Kölner Stadt-Anzeiger. Als erstes im Deutschen Reich propagierte es den Erwerb von Kolonien. Redakteur Herbert Zöller, dessen Artikel von Rassismus geprägt waren, durfte durch die Welt reisen. Ihm zu Ehren nannte Carl Peters in Deutsch-Neuguinea einen Berg nach ihm, einen anderen nach dessen Chef Neven DuMont, diesen Namen durfte auch ein Wasserfall in Kamerun tragen.

Afrikanische KriegsgefangeneKurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs und den ersten Kämpfen an der Westfront wurden Kriegsgefangene in den Kölner Raum - genauer in die Wahner Heide - gebracht. Am 20. Oktober 1914 waren schon mehr als 4000 Gefangene verzeichnet, knapp anderthalb Jahre später waren es 50.000; darunter befanden sich französische Kolonialsoldaten, so genannte Tirailleurs, aus Nordafrika, aber auch aus dem Senegal. Die Unterkünfte im neu erbauten Lager waren nach Nationen und auch nach „Rassen“ getrennt. Die „exotischen“ Gefangenen zogen natürlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich; Fotos entstanden, die als Postkarten verkauft und verschickt wurden. Man konnte sich dieser Faszination durchaus hingeben, solange man auf der vermeintlichen Siegerseite stand. 1917 wurde das Kriegsgefangenenlager von der Wahner Heide nach Limburg an der Lahn verlegt. (Sammlung Bechhaus-Gerst)

Im 1. Weltkrieg wurden französische Kriegsgefangene in Köln kaserniert, Kölner besichtigten die afrikanischen Soldaten und kauften Postkarten mit deren Abbild. Als farbige französische Besatzungssoldaten nach 1918 ins Rheinland kamen, war das für nationalistische Kreise eine „schwarze Schmach“. Trotz dieser rassistischen Hetze blieben „Rheinlandbastarde“ als Ergebnis schwarz-weißer Liebe nicht aus. Viele von ihnen wurden im Nazi-Regime zwangssterilisiert - rund 40 Fälle sind in Köln bekannt. Noch 1931 machte sich Oberbürgermeister Konrad Adenauer als Präsident der „Deutschen Kolonialgesellschaft“ für den Rückerwerb der 1918 verlorenen Gebiete stark. Eine stark beachtete Kolonialausstellung im Jahr 1934 sollte das „Kolonialgedenken in die Köpfe und Herzen pflanzen“. Ende der 1930er Jahre wurde an der Universität Köln die „Zentralstelle für Kolonialfragen“ gegründet. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Geograf und Afrikaforscher Franz Thorbecke, der schon 1901 an der Städtischen Handelschule Kolonialkunde gelehrt hatte.

„Held Carneval als Colonisator“

Nicht fehlen darf in Köln der Karneval. Beim Rosenmontagszug 1885 trat „Held Carneval als Colonisator“ auf und präsentierte „Aechte Menschenfresser“. 1938 forderten die Narren die deutschen Kolonien zurück. Zwiespältig Gruppen wie „Negerköpp“, „Neppeser Kannibale“ oder „Löstige Kölsche Afrikaner“ (die 1953 Josephine Baker als Ehrenmitglied begrüßten): Hier mischen sich Lust an exotischer Verkleidung und arrogante Herablassung. Seit einigen Jahren halten es diese Gruppen nicht mehr für opportun, sich öffentlich mit schwarzem Trikot, Baströckchen, Knochenkette und viel schwarzer Schuhcreme als Neger zu verkleiden. Dem Rassisten Wilhelm Joest verdankt Köln auch sein Museum für Völkerkunde, das gerade einen millionenteuren Neubau erhält. Der Naturwissenschaftler und Weltreisende hinterließ der Stadt 3.400 ethnografische Objekte. Sein Credo: „Der freigewordene Neger arbeitet nur, wenn er durch Hunger, Not oder Prügel dazu gezwungen wird.“

Iltisstraße

Köln hat im Stadtteil Neu-Ehrenfeld noch ein zweites Kolonialviertel. Hier erinnert die Lansstraße an Kapitän Wilhelm Lans, dessen Kanonenboot Iltis schoss 1901 zu Beginn des „Boxeraufstands“ chinesische Festungen zusammen. Die Iltisstraße hat also nicht mit einem Marder zu tun. Auch Langen-Schwiegersohn Hermann von Wissmann hat noch seine Straße: Der Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und Befehlshaber der dortigen „Schutztruppen“ schlug 1907 den Maji-Maji-Aufstand nieder, 300.000 Afrikaner kamen dabei um. Wissmanns Grab auf dem Kölner Melaten-Friedhof wird bis heute vom „Traditionsverband der Schutz- und Überseetruppen“ gepflegt. Es gibt also, was die Vergangenheitsbearbeitung betrifft, noch einiges zu tun. Diskussionswürdig wäre es ja auch, statt die Straßen umzubenennen auf einem kleinen Täfelchen die (unangenehmen) historischen Fakten zu erzählen.

(PK)

kp

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Letzte Aktualisierung am: 15.01.2009