Köln Postkolonial

Die Themen:

Presse

Stadtrevue, Juli 2007, S.15

Kolonialmetropole des Westens

Die Initiative „Köln Postkolonial“ begibt sich in der Stadt auf Spurensuche

„Inveniam viam aut faciam“ – finde ich keinen Weg, so bahne ich mir einen: In goldenen Lettern prangt das Motto auf dem frisch restaurierten Grabmal des Kolonialoffiziers und Afrikaforschers Hermann von Wissmann auf dem Kölner Melatenfriedhof. Ein Bild auf dem strahlend weißen Gedenkstein zeigt einen Kämpfer, das Bein auf eine bereits erlegte Schlange gestellt, der mit heldenhafter Geste das Schwert gegen weitere Schlangen schwingt. Wissmann hatte sich vor allem durch sein brutales Vorgehen gegen Aufständische in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika einen Namen gemacht und auch bei seinen wissenschaftlichen Expeditionen manchen Afrikaner, der sich ihm in den Weg stellte, kurzerhand erschossen. Am 20. Juni 1905 wurde Wissmann, der bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war, auf dem Kölner Melatenfriedhof beigesetzt.

Zu seinem 100. Todestag 2005 übernahm der „Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen“ die Patenschaft für das Grab und verhinderte so, dass die Überreste Wissmanns, der zur Kolonialzeit als „Deutschlands größter Afrikaner“ gefeiert wurde, dem Vergessen übergeben wurden. Nun sind die Restaurationsarbeiten an der Grabstätte abgeschlossen, die sich der Traditionsverband laut Vorsitzendem Hermann Mietz mehrere tausend Euro kosten ließ.

Kaum jemand, der heute an der Grabstätte Wissmanns oder an der nach ihm benannten Straße in Ehrenfeld vorbeikommt, kann mit dem Namen etwas anfangen – ein kritischer Hinweis zur Rolle Wissmanns fehlt an beiden Orten. Auch die wenigen anderen kolonialzeitlichen Spuren in Köln wie weitere Straßennamen in Ehrenfeld und Nippes oder zwei Bronzestatuen des Kolonial-Bildhauers Fritz Behn am Sachsenring und im Zoo bleiben unkommentiert. Doch nicht nur in Köln, wo aufgrund der weit reichenden Zerstörung wenig Sichtbares auf die koloniale Vergangenheit hindeutet, sondern generell in Deutschland werde diese Epoche entweder wenig kritisch oder überhaupt nicht betrachtet, kritisiert Marianne Bechhaus-Gerst, Professorin für Afrikanistik an der Kölner Universität.

Den wenigsten Deutschen ist bewusst, dass das Deutsche Reich von 1884 bis 1918 so genannte Schutzgebiete in Afrika, im Pazifik und in China hatte. Wenn überhaupt, dann wurde die Kolonialzeit mit dem Fokus auf die Kolonialmetropole Berlin und das Hamburger „Tor zur Welt“ betrachtet. Nun aber setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Kolonialzeit auch in anderen Teilen des Deutschen Reiches eine bedeutende Rolle spielte. In Hamburg, Freiburg und zuletzt auch in Bielefeld haben Initiativen begonnen, die lokalen Auswirkungen der Kolonialzeit zu untersuchen. Bechhaus-Gerst findet, dass Köln als Kolonialmetropole des Westens dem nicht nachstehen dürfe. Denn neben intensiven Wirtschaftsbeziehungen etwa der Schokoladenfabriken und Bankhäuser gab es in Köln auch über die deutsche Kolonialzeit hinaus eine ausgeprägte neokoloniale Bewegung: Viele Kölner Persönlichkeiten setzten sich auch nach der Aberkennung der deutschen Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg für deren Rückgewinnung ein – so auch Konrad Adenauer, von 1931 bis 1933 Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft.

Die Initiative

„Köln Postkolonial“ hat Anfang des Jahres begonnen, die koloniale Vergangenheit Kölns aufzuarbeiten und stärker in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Erste Artikel zu Themen wie „Afrikanische Völkerschauen“ oder „Karneval und Kolonialismus“ sind auf der Internetseite www.koeln-postkolonial.de zu finden.

Da zahlreiche Kölner Familien und Unternehmen am „kolonialen Projekt“ des deutschen Reiches beteiligt waren oder sich in der neokolonialen Bewegung engagierten, ruft Köln Postkolonial die Bürger auf, sich aktiv an der Spurensuche zu beteiligen: Wer etwa auf dem Speicher alte Tagebücher, Fotos, Mitbringsel des (Ur-) Großvaters aus den ehemaligen Kolonien findet, wird gebeten,über die Internetseite per E-Mail oder telefonisch unter 01577-417 47 46 Kontakt mit der Initiative aufzunehmen. (ng)

„Köln Postkolonial“ ist eine Initiative des Vereins „Kopfwelten – gegen Rassismus und Intoleranz“. Das Projekt widmet sich seit diesem Jahr der Suche nach hiesigen kolonialen Spuren – auch mit Hilfe von Kölner Bürgern (siehe Kasten). Die Initiatoren zielen dabei auf eine Aufarbeitung weit über die Epoche der deutschen Kolonialherrschaft hinaus. Denn manche Bilder und Vorurteile, die zur Kolonialzeit entstanden, haben sich oft bis heute in unseren Köpfen gehalten, so etwa die Vorstellung des kindhaften, wenig intelligenten, faul im Schatten liegenden Afrikaners.

Solche Bilder dienten in der Kolonialzeit als Rechtfertigung, den „nicht zivilisierten“ Menschen mit der Inbesitznahme ihres Landes auch die „Zivilisation“ zu bringen. Auch heute noch können sie sich bis in aktuelle Gesellschafts- und Machtstrukturen hinein auswirken – und das Zusammenleben der Menschen in einer Stadt wie Köln erschweren.

(Nina Gruntkowski)

kp

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Letzte Aktualisierung am: 21.11.2008