Köln Postkolonial

Die Themen:

Kölner Wirtschaft

Das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee

Nina Liz Petig

Mitglieder und Maßnahmen

Seit 1905 war die Stadt Köln mit einem Beitrag von jährlich 100 Mark Mitglied des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees (K.W.K.).1 Dieses war 1896 unter dem Namen „Komitee zur Einführung der Erzeugnisse aus deutschen Kolonien“ gegründet worden,2 um die koloniale Rohstoffausbeutung zu steigern und deren industrielle Verarbeitung im Deutschen Reich voranzutreiben. Initiator und langjähriger Vorsitzender des K.W.K. war der Berliner Geschäftsmann Karl Supf. Im geschäftsführenden Ausschuss des K.W.K. saßen unter anderen Richard Hindorf, Direktor der Rheinischen Handeï-Plantagen-Gesellschaft, und Max Esser, Gründer der Westafrikanischen Pflanzungsgesellschaft Victoria.3


Mitgliedsausweis der Stadt Köln (Quelle: Historisches Archiv der Stadt Köln)

Das steigende wirtschaftspolitische Interesse an kolonialen Rohstoffen führte seit Bestehen des K.W.K. zur Gründung mehrerer Sondergremien. Nachdem Karl Supf bereits im Jahr 1900 argumentiert hatte, die deutsche Textilindustrie sei aufgrund ihrer Abhängigkeit von Importen aus dem Ausland krisengefährdet,4 bildete sich im Jahr 1906 die Baumwollkommission des K.W.K. Ein Jahr nach der vom K.W.K. geförderten Maschinenausstellung in Berlin im Jahr 1909 wurde die Kolonialtechnische Kommission gegründet. Zweck der Ausstellung war, die deutsche Maschinenbauindustrie für die Produktion agrarwirtschaftlicher Anlagen, wie etwa Entkörnungsmaschinen für Baumwolle oder Ölpressen, zu gewinnen. Neben der Realisierung dieses Ziels fielen auch Angelegenheiten des Eisenbahn- und Straßenbaus und der Telegraphie in den Kolonien in den Aufgabenbereich der Kolonialtechnischen Kommission. 1911 wurde schließlich die Kautschuk-, 1913 die Ölrohstoff- und 1914 die Wollschafzucht-Kommission des K.W.K. gegründet.

In der Monatszeitschrift „Der Tropenpflanzer“ veröffentlichte das K.W.K. Forschungsergebnisse zu Anbau- und Arbeitsmethoden sowie Verhandlungs- und Expeditionsberichte der einzelnen Kommissionen. In einem Bericht aus dem Jahre 1908 wird die Firma Felten & Guilleaume als prüfende Instanz bei der technischen Untersuchung von Faserproben für die Baumwollkommission genannt. 5 Das Kölner Unternehmen hatte sich bereits 1899 finanziell an einer Kautschuk-Expedition des K.W.K. nach Kamerun beteiligt, wie aus dem Schriftverkehr mit der Handelskammer Mühlheim (Rhein) hervorgeht.6 Gutachten für verschiedene Kakao-Sorten erstellte im Auftrag des K.W.K. das Unternehmen Stollwerck7. Auch der Name der in Köln ansässigen Firma Wördehoff & Schnabel findet sich in den Prüfungsberichten.8

 

1914 zählte das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee 1.231 körperschaftliche Mitglieder.9 Auch folgende Kölner Unternehmen sind in einer Auflistung zu finden:10

Produktion und Propaganda

Offiziell hieß es zwar, es sei nicht das Ziel des K.W.K., kolonialpolitische Propaganda zu betreiben11 und jeglichen Aktivitäten lägen ausschließlich wirtschaftliche Aspekte zu Grunde – die körperschaftlichen Mitglieder vertraten also möglicherweise eine eher gemäßigte Haltung gegenüber der Kolonialpolitik;12 Inhalte und Formulierungen der Publikationen sprechen jedoch eine ganz andere Sprache. Auch die finanzielle Lage des K.W.K. lässt am angeblichen Fokus der Organisation erheblich zweifeln. Denn offenbar standen dem K.W.K. nur knappe finanzielle Mittel zur Verfügung,13 sodass es sich mehrfach mit dem Appell zur finanziellen Unterstützung an die unterschiedlichen Industriezweige, wie beispielsweise die Baumwoll- und Textilindustrie, wandte.

Für die „Kölnische Baumwollspinnerei und Weberei“ veranschlagte das K.W.K. von 1910 bis 1912 eine jährliche Beitragszahlung von 700 Mark an die Baumwollkommission.14 Insgesamt zahlten die rheinischen Textilfirmen in diesen Jahren rund 53.200 Mark und somit mehr als 20 Prozent der gesamten Beiträge für die Baumwollkommission ein.15

Die Ölrohstoffkommission beschloss 1913, „einen Appell an die Ölrohstoffe verarbeitende Industrie zu richten: Mittel aufzubringen für Vorarbeiten zur Ölrohstoffversorgung Deutschlands aus den eigenen Kolonien. Als Anhalt für die Höhe des Beitrages ist darauf hinzuweisen, daß z.B. die Textilindustrie Beiträge in Höhe von 10% der Beiträge zur Berufsgenossenschaft an die Baumwoll-Kommission des Komitees leistet. Die Beiträge der Ölrohstoffe verarbeitenden Industrie sind analog der Beitragsleistung der Metall-, Eisen- und Maschinenindustrie auf die Dauer von fünf Jahren zu erbitten. Die Propaganda soll in Verbindung mit den drei bestehenden Verbänden: Verband der deutschen Ölmühlen, Berlin, Vereinigung deutscher Stearin- und Kerzenfabriken, Hamburg, Verband der Seifenfabrikanten, Aschersleben, durchgeführt werden“.16

Das K.W.K. erhielt demnach nicht die finanzielle Unterstützung, die es sich von den Industriellen erhoffte. Daraus ergibt sich folgende Überlegung:

„It is difficult to believe that an organization so poorly supported by business interests would have carried on such a diversified, energetic programme to develop the economic resources of the colonies merely for the purpose of benefiting big business. Why, then, did the Colonial Economic Committee do this?”17

Die Antwort findet sich in den publizierten Texten. Das K.W.K. war weniger ein Wirtschafts- als vielmehr ein Propagandaorgan. Die technisch-wirtschaftliche Berichterstattung war geprägt von kulturevolutionistischen und rassistischen Darstellungen und nationalistischer Gesinnung. In einer Ausgabe von 1905 heißt es beispielsweise:

„So wohnt den Pflanzungen [Anm.: gemeint sind Plantagen] nicht nur das Bestreben inne, die Arbeiter zu nutzen, sondern mit der Erziehung derselben zur Arbeit, die für jeden Christen ein Gottesgebot ist, sowie zur Landwirtschaft erfüllen die Pflanzer gleichzeitig eine unverkennbare Kulturmission.“18

„Kulturmission“, das bedeutete Zwangsarbeit, Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung. Der wirtschaftliche Aspekt dient in der Berichterstattung als Deckmantel für die Verbreitung einer kulturevolutionistischen Weltanschauung. Von gemäßigter Haltung oder einem ausschließlich wirtschaftlichem Fokus kann auch bezüglich des folgenden Zitats keine Rede sein:

„Die Fabrikarbeit des Mannes nimmt dazu der Frau einen großen Teil der Lasten vom Rücken und gibt ihr Zeit, sich um Hauswirtschaft und Kinder zu kümmern. Die Kleinwirtschaft der Neger ist nichts als die schamloseste Ausbeutung der Frau und die gewissenloseste Vernachlässigung der Kinder. […] Alle diese Schäden, die wie ein Krebsgeschwür an der Gesundheit der Rasse fressen, können erst behoben werden, wenn die europäische Arbeitsweise ihren Einzug in Afrika gehalten hat. Eine große Ölindustrie in Mittelafrika, daneben noch europäische Alkoholerzeugung (Bier, leichter Schnaps), wären ein Segen für das Land.“19

Erpressung, Rauschmittel/Alkoholismus und Umweltzerstörung als Segen für ein Land? Von Menschen wird in den Texten berichtet wie über Gerätschaften. In Bezug auf „die Arbeiterfrage und die Kosten der Kautschukpflanzung“20 heißt es:

„Auf den Pflanzungen dieses gegenwärtig wichtigsten Produktionsgebietes arbeiten neben den Tamils und Chinesen auch Javaner, die den Ruf haben, sorgfältiger zu arbeiten als Tamils, die ihrerseits schneller die Arbeit ausführen. Die Javaner erhalten einen Lohn von 25 Cents für Männer und 15 Cents für Frauen. Hinzu kommt die Verpflegung mit 10 Cents pro Tag, so daß der Arbeitstag eines Mannes auf 0,83 M. und der Frau auf 0,60 M. zu stehen kommt, d.i. etwas mehr als der Arbeitstag (nicht Verpflegungstag) des Kameruner Negers. Dabei ist aber die Leistung eines Javaners viel größer als die des Negers.“21

Besonders krass verdeutlicht hier die Formulierung mit einerseits dem unbestimmten und andererseits dem bestimmten Artikel, wie stark die angeblich so schlichte und sachliche Abfassung der Texte von Rassismus geprägt war.

Auch während des Ersten Weltkriegs diente die Zeitschrift „Der Tropenpflanzer“ als Propagandamedium. Die Idee von der Erweiterung des Kolonialbesitzes und der Machtkampf mit anderen europäischen Staaten standen nun im Mittelpunkt. So heißt es zum Beispiel in einer Ausgabe von 1916:

„Nur wenn Deutschland so gestellt ist, dass es unter gleich günstigen Bedingungen die erforderlichen Rohstoffe beziehen kann wie die Konkurrenzländer, kann es sich als Industriestaat weiterentwickeln, was aber ohne einen entsprechenden Kolonialbesitz kaum möglich sein wird.“22

Als Konkurrenzländer galten beispielsweise Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Spanien und Portugal.23 Aus der Angst vor wirtschaftlicher Beeinträchtigung wurde ein allgemeines Bedrohungsszenario geschaffen. In einem Aufsatz des Jahres 1917 heißt es: „Bekämen die Engländer die west- und mittelafrikanischen Ölpalmenbestände in ihre Hand, so würden sie dieselben zur Herbeiführung eines englischen Speisefettmonopols ausnutzen.“ 24 Und außerdem:

„Wird das deutsche Volk durch Verkümmerung der Einfuhr von Ölfrüchten in seiner Ernährung dauernd geschädigt, dann gibt es nur zweierlei: Entweder starke, über alle geschichtlichen Erfahrungen weit hinausgehende Auswanderung und dauernde Schwächung, oder das deutsche Volk muss ein Eroberervolk werden, das den Frieden Europas dauernd bedroht.“ 25

Wer also das K.W.K. finanziell unterstützte, unterstützte vor allem auch die Kolonialpropaganda, die in der Zeit des Kolonialrevisionismus nach dem Ende des Ersten Weltkriegs natürlich nicht abriss und aus rassistischem und nationalistischem Gedankengut bestand. Die Zeitschrift „Der Tropenpflanzer“ erschien von 1897 bis 1944.


Werbung für ein Abonnement der Zeitschrift „Der Tropenpflanzer“ (Quelle: siehe Anm. 3)

1 Historisches Archiv der Stadt Köln, 401-570.
2 http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/6A7DBE2F0A06221200000000DB60CACE/findmittel.jsp (12.02.2009).
3 Morren, F.W. Kultur, Bereitung und Handel des Liberia Kaffee. 1898, Extra-Beilage des Tropenpflanzer, S. 37 [siehe http://ia341038.us.archive.org/3/items/dertropenpflanze02berl/dertropenpflanze02berl.pdf (13.02.2009)].
4 Pierard, Richard V. A Case Study in German Economic Imperialism: The Colonial Economic Committee, 1896-1914. 1968, The Scandinavian Economic History Review XVI, 2:156.
5 Historisches Archiv der Stadt Köln, 401-570.
6 Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, 2-10-10.
7 Der Tropenpflanzer. 1902, 2: 87 [siehe http://ia341003.us.archive.org/3/items/dertropenpflanze06berl/dertropenpflanze06berl.pdf (13.02.2009)] und K.W.K. (Hrsg.). Verhandlungen des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees. 1904, 1: 27 [siehe http://ia341003.us.archive.org/3/items/dertropenpflanze06berl/dertropenpflanze06berl.pdf (13.02.2009)].
8 Historisches Archiv der Stadt Köln, 401-570 und K.W.K. (Hrsg.). Verhandlungen des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees. 1905, 1: 26 [siehe http://ia341027.us.archive.org/2/items/dertropenpflanze09berl/dertropenpflanze09berl.pdf (13.02.2009)].
9 Pierard, Richard V. (siehe Anm. 3), 163.
10 Historisches Archiv der Stadt Köln, 401-570.
11 Pierard, Richard V. (siehe Anm. 3), 159.
12 Soénius, Ulrich S. 1992. Koloniale Begeisterung im Rheinland während des Kaiserreichs. (Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte, 37.) Köln: Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv. S.107.
13 Pierard, Richard V. (siehe Anm. 3), 165.
14 Supf, Karl. Deutsch-Koloniale Baumwoll-Unternehmungen. Bericht XII. 1910, Beiheft 3 zum Tropenpflanzer XIV, 5:241.
15 Soénius, Ulrich S. (siehe Anm. 9), S. 107.
16 K.W.K. (Hrsg.). Verhandlungen der Ölrohstoff-Kommission des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees, 1913, 1:3f.
17 Pierard, Richard V. (siehe Anm. 3), 166.
18 Wohltmann, F. Neujahrsgedanken. 1905, Beiheft 1 zum Tropenpflanzer, IX: 17 [siehe http://ia341027.us.archive.org/2/items/dertropenpflanze09berl/dertropenpflanze09berl.pdf (17.11.2008)].
19 Zimmermann, Emil. Die Bedeutung tropischer Ölfrüchte, insbesondere der Ölpalme für die deutsche Wirtschaft. 1917, Beiheft 4 zum Tropenpflanzer, XX, 12: 259.
20 Reintgen, Peter. Die Kautschukpflanzen. Eine wirtschaftsgeographische Studie. 1905, Beiheft 2/3 zum Tropenpflanzer, VI: 316.
21 Ebd.
22 Schulte im Hofe, A. Die Welterzeugung von Lebensmitteln und Rohstoffen und die Versorgung Deutschlands in der Vergangenheit und Zukunft. 1916, Beiheft 1/2 zum Tropenpflanzer, XIX, 2:176.
23 Ebd., 174.
24 Zimmermann, Emil. (siehe Anm. 19), 257.
25 Zimmermann, Emil. (siehe Anm. 19), 219.

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Letzte Aktualisierung am: 09.03.2009